05.05.2023 Wir protestieren gegen die Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen.

Gemeinsam mit einem breiten Bündnis aus Wohlfahrts-, Sozial- und Behindertenverbänden rufen wir am 5. Mai 2023 zur Demonstration anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung auf. Die Demonstration startet 14 Uhr am Brandenburger Tor. Von dort führt die Route zum Roten Rathaus. Unter dem Motto „Zukunft barrierefrei gestalten“ fordert das Bündnis Barrierefreiheit ohne Wenn und Aber.

Wir gehen mit auf die Straße, um gegen strukturelle Gewalt im Bildungssystem, gegen Barrieren in den Schulen und in der Schulverwaltung zu protestieren.

Viele Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen erleben in unserer Stadt, dass sie beim Schulbesuch benachteiligt und diskriminiert werden.

  • Einen passenden Schulplatz für das behinderte und/oder chronisch kranke Kind zu finden, ist für die Familien eine extreme Belastung. Sie werden an vielen Schulen abgewiesen – obwohl jedes Kind das Recht hat, seine Einzugsschule zu besuchen.
  • Dann werden diese Kinder von Amtswegen zu anderen, vom Wohnort weiter entfernten Schulen gefahren, wo sie entweder exklusiv, also nur mit anderen behinderten Kindern, beschult werden – oder sie finden an einer anderen Regelschulen, die sie aufnimmt, diskriminierende Rahmenbedingungen vor. Beides verstößt gegen die UN-BRK.
  • Sonderpädagog*innen fehlen an vielen Schulen. Wo sie sind, werden sie für den Vertretungsunterricht zur Sicherung des Pflichtunterrichts nicht behinderter Kinder eingesetzt anstatt für die rechtmäßige, qualitativ hochwertige Förderung der behinderten und kranken Kinder. Das ist eine strukturelle Diskriminierung von Kindern mit sonderpädagogischen Förderbedarf.
  • Manchmal sind Wissen und Kompetenz im Umgang mit den Behinderungen der Kinder und Jugendlichen in Schulen (unabhängig von der Schulform) so gering, dass von den Mitarbeitenden Konflikte mit den behinderte Schüler*innen produziert werden, die zu Suspendierungen und Schulzeitverkürzugen führen. Aktuell sind nach unserer Schätzung bis zu 1000 Schüler und Schülerinnen in Berlin von schulzeitverkürzenden Maßnahmen betroffen.
  • Mangelhafte bis gänzlich fehlende Rahmenbedingungen und Vorkehrungen, um die Bedürfnisse der einzelnen Kinder und ihre behinderungsbedingten Bedarfe zu beantworten, sind deutliche Ursachen für das Scheitern von Teilhabe in Kita, Schule und Berufsschule.

Auch 15 Jahre nach Inkrafttreten der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) und vieler nationaler Gesetze und Richtlinien sind Menschen mit Behinderungen von einer uneingeschränkten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben – so wie sie andere Menschen wahrnehmen können – weit entfernt. Für Kinder und Jugendliche beginnen schon in der Kita sehr belastende und beschämende, teils traumatisierende Erfahrungen, wenn sie als Probelm identifiziert werden und physischer sowie psychischer Gewalt ausgesetzt sind. Immer häufiger werden auch hier keine angemessenen Vorkehrungen zur Verfügung gestellt, es ist leichter diesen Anspruch auf Förderung und Bildung durch verkürzten oder gänzlich gekündigten Kitabesuch zu verwehren. Dass es anders geht, wissen wir. Dafür kämpfen wir.

„Am 5. Mai wollen wir zeigen, dass wir viele sind und gemeinsam für die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf die Straße gehen. Daher rufen wir alle Berlinerinnen und Berliner auf, sich uns anzuschließen“, so Dominik Peter, Sprecher des Büdnisses.

Zum Bündnis Protesttag 5. Mai, dem wir uns als  Berliner Bündnis für schulische Inklusion angeschlossen haben, gehören unter anderem der Berliner Behindertenverband, die Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin, die Lebenshilfe Berlin, der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin, der SoVD Berlin-Brandenburg sowie der Sozialverband VdK Berlin-Brandenburg. 

Die Demo startet 13.30 vor dem Brandenburger Tor mit einer Kundgebung. Ab 14 Uhr laufen wir Unter den Linden zu Alexanderplatz und sind gegen 14.45 Uhr vor dem Roten Rathaus. Dort wird es eine Abschlusskundgebung mit Bühnenprogramm und Infoständen geben. Wir freuen uns über jede und jeden, der mit uns für das Recht auf zukunftsfähige, diskriminierungsfreie schulische Bildung und Erziehung auch für behinderte und chronisch kranke Kinder in Berlin kämpft.

Das Bündnis für schulische Inklusion findet ihr gemeinsam mit dem Sozialverband Deutschland (SoVD Berlin-Brandenburg) am Infostand vor dem Roten Rathaus. Dort informieren wir über unsere Arbeit und beraten auch zum Thema Nicht- oder verkürzte Beschulung.

Weitere Infos: www.protesttag-behinderte.de

Die vollständige Pressemitteilung hier herunterladen.

23.08.2022 Gemeinsame Pressekonferenz und Erklärung: Qualitativ hochwertige Inklusive Bildung ist keine Kür sondern Pflicht!

// Pressesprecher der GEW BERLIN // Geschäftsführer

Presseerklärung Nr. 41/2022 von Dienstag, dem 23. August 2022

Qualitativ hochwertige Inklusive Bildung ist keine Kür sondern Pflicht!

Da insgesamt knapp 1.000 Lehrkräftestellen fehlen, will die Senatsverwaltung bei den sonderpädagogischen Förderstunden sparen. Das hat vor allem negative Auswirkungen auf die Schüler*innen, die dringend spezifische Unterstützung in der Schule benötigen. Bei ihrer Schuljahresauftakt-Pressekonferenz hat die GEW BERLIN gemeinsam mit Interessenvertreter*innen für Menschen mit Behinderungen und dem Berliner Bündnis für schulische Inklusion gegen dieses Vorhaben protestiert.

Für das neue Schuljahr hat die Senatsverwaltung die Grundlage für die Berechnung des Lehrkräftepersonals (Zumessungsrichtlinie) so geändert, dass Schulen die Anzahl der sonderpädagogischen Förderstunden für Schüler*innen mit dem höchsten Förderbedarf drastisch reduzieren werden können – von 8 auf 3 Wochenstunden pro Kind. „Wenn alle Schulen von der neuen Regelung Gebrauch machen, entspricht dies nach unseren Berechnungen einem Wegfall von 500 vollen Sonderpädagogik-Stellen“, erklärte Tom Erdmann, Vorsitzender der GEW BERLIN. „Schon vorher waren die Rahmenbedingungen für Inklusion an unseren Schulen schlecht. Nun hat sich die Situation jedoch noch weiter verschlechtert. Allein die Statistik zum Lehrkräftebedarf steht durch die Maßnahme besser da“, so Erdmann.

Betroffen von der neuen Regelung sind Schüler*innen mit Förderbedarf im Sehen (Blindheit), Hören und Kommunikation (Gehörlose) und in den Bereichen Geistige Entwicklung und Autismus. Die gekürzten 5 Sonderpädagogik-Stunden können ersetzt werden durch 7,5 Stunden, die von pädagogischen Unterrichtshilfen, Erzieher*innen oder Betreuer*innen erbracht werden. „Auch wenn das nicht nach einer Kürzung aussieht, kann eine qualitativ hochwertige Bildung für die betroffenen Kinder ohne die dafür ausgebildeten Sonderpädagog*innen nicht umgesetzt werden“, betonte Nuri Kiefer, Grundstufenleiter der Paula-Fürst-Gemeinschaftsschule und Vorsitzender der Vereinigung Berliner Schulleiter*innen in der GEW BERLIN (VBS). Kiefer warnte auch vor den langfristigen Folgen: „Es darf auf keinen Fall zu Veränderungen bei der Bedarfsermittlung an Sonderpädagogiklehrkräften kommen, denn sonst wird die adäquate Einstellung von ausgebildetem Personal und die Schaffung von Studienplätzen unmöglich. Die Lehrkräftestellen müssen weiter als solche aufgeführt werden, so dass eine Rückumwandlung jederzeit möglich ist.“

„Die Änderung der Berliner Lehrkräfte-Zumessungsrichtlinie ist eine Ungleichbehandlung, die einer einzelnen Gruppe massiv Chancengleichheit versagt“, kritisierte die stellvertretende Vorsitzende des Landesbeirats für Menschen mit Behinderungen, Gerlinde Bendzuck. „Inklusive Bildung ist keine Kür, sondern Pflicht sowie Anspruch und Recht. Es geht um die verbrieften Rechte von Kindern mit Behinderungen auf qualitativ hochwertige Bildung, auf Gleichberechtigung, aktive Teilhabe und Schutz vor Diskriminierung gemäß UN-Behindertenrechtskonvention. Wir beobachten Rückschritte der schulischen Inklusion“, betonte Bendzuck. Sie kritisierte außerdem, dass die Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen nicht beteiligt wurde, obwohl eine Beteiligung bei allen Belangen, die Menschen mit Behinderungen direkt oder indirekt betreffen, im Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) vorgeschrieben ist. Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) sieht hier einen Verstoß gegen die Beteiligungspflicht und spricht sich dafür aus, eine Verbandsklage gegen die veränderte Vorschrift auf den Weg zu bringen.

Anne Lautsch vom Bündnis für schulische Inklusion beschrieb, wie schwierig die Situation für die Familien ist: „Es gibt viele verzweifelte Eltern, die sich gezwungen sehen, ihr Kind an einer Förderschule anzumelden oder dorthin zu wechseln, obwohl sie sich für ihr Kind eine wohnortnahe inklusive Schule wünschen und eigentlich auch den Anspruch darauf haben. Angesichts der fehlenden Ressourcen und noch schlechterer Bedingungen an Regelschulen durch die vorgesehenen Änderungen fürchten sie gravierende Verschlechterungen, zum Beispiel dass noch mehr Kinder nur verkürzten oder gar keinen Unterricht mehr haben. Hinzu kommt, dass auch die Plätze an Förderzentren rar sind. In einigen Berliner Bezirken müssen Kinder auf Förderzentren in Nachbarbezirken oder gar nach Brandenburg ausweichen. Hier stellt dann die Beförderung ein zusätzliches Problem dar, da sie nicht ohne Weiteres übernommen wird .“ Die Eltern gehen davon aus, dass es in der Folge zu einem weiteren Ausbau der Förderzentren kommen wird und auch die Exklusionsquote ansteigt.

Da die Senatsverwaltung bei nicht ausreichend verfügbaren Personalressourcen seit jeher der Sicherung des Pflichtunterrichts Priorität einräumt, kommt es ohnehin schon tagtäglich zum Ausfall von Förderstunden und zur Benachteiligung von Kindern mit sonderpädagogischen Förderbedarfen. „An dieser Stelle muss dringend umgesteuert werden, denn die Sicherung qualitativ hochwertiger Bildung ist ein Menschenrecht. Die Politik ist in der Pflicht, die Strukturen dafür zu schaffen. Die Kinder, die mehr Unterstützung brauchen, müssen in den Fokus gerückt werden und dürfen nicht die einzige Gruppe sein, auf deren Kosten gespart wird. Es müssen Lösungen gefunden werden, die nicht vor allem den Schwächsten schaden. Förderstunden sollten zudem verbindlich von der Vertretung ausgenommen sein“, forderte Karin Petzold, Grundschullehrerin und Leiterin des Vorstandsbereichs Schule der GEW BERLIN.

Download der Presse-Erklärung (PDF, 544KB)

1.06.2022: Förderstunden sind unverhandelbar! Offener Brief an die Senatsverwaltung für Bildung

Sehr geehrte Senatorin Busse, sehr geehrter Staatssekretär Bozkurt, sehr geehrter Staatssekretär Slotty,

schon wieder erreichen uns Nachrichten über Pläne Ihres Hauses – erneut auf Umwegen –, die Schülerinnen und Schüler mit sehr hohen und spezifischen Förderbedarfen belasten.

Kindern und Jugendlichen mit den Förderstufen I bzw. II im Sehen (Blindheit), Hören und Kommunikation (Gehörlose), Geistige Entwicklung und Autismus wollen Sie die sonderpädagogische Förderung von 8 auf 3 Wochenstunden pro Kind reduzieren.

Vergleiche Zumessungsrichtlinien:

Seit dem wir von Ihren neuen Zumessungsrichtlinien Kenntnis haben, tauschen wir uns schon wieder intensiv mit Verbänden, Fachstellen, Betroffenen… aus,  wie vor vier Wochen! Die meisten Kritikpunkte unseres Bündnisbriefes vom 05. Mai 2022, denen sich weit über 40 unterzeichnende Organisationen und über 150 Einzelpersonen angeschlossen haben, treffen auch auf diese neue Ungeheuerlichkeit zu. Denn die drohende Kürzung der bereits viel zu geringen Anzahl sonderpädagogischer Förderstunden ist unzumutbar.

Es reicht! 

Wir, die im Berliner Bündnis für schulische Inklusion vereinten Gremien, Verbände, Vereine, Initiativen und Betroffenen, sagen:

  1. Die Höhe der Förderstunden der Förderschwerpunktgruppe 3 – es sind aktuell nur 8 h die Woche, oft fremdverwendet und intransparent für Eltern – ist unverhandelbar. Das Menschenrecht auf Bildung darf nicht durch noch mehr Betreuung, Abschiebung oder nicht notwendig qualifizierten Ressourcen in Berlin geschwächt werden!

  2. Es geht nicht nur um Quantität, wo wir uns ein gemeinsames, transparentes Verständnis wünschen, sondern auch um eine Garantie für die Qualität inklusiver Beschulung. Dem wird Ihre neue Planung, ausgerechnet bei Schülerinnen und Schüler mit sehr hohen und spezifischen Förderbedarfen in den Schulen, das bereits geringe Maß an Qualität zu abzubauen, überhaupt nicht gerecht!

  3. Wir wiederholen: Neben der vollumfänglichen Umsetzung von formellen, sächlichen und personellen Gegebenheiten, können Kinder mit ihren Kompetenzen, Bedarfen und Bedürfnissen nur dann lernen, teilhaben und ihren eigenen Ausgangslagen entsprechend gefördert werden, wenn die Qualität stimmt. Dies bedeutet, dass Kinder mit Förderbedarf, insbesondere jene mit hohen und spezifischen Bedarfen, nicht einfach nur dabei sind. Die gleichberechtigte aktive Teilnahme am schulischen Lernen in der Schulgemeinschaft ist ein Menschenrecht.

  4. Wir fordern, dass alle Kinder chancengleich und gleichberechtigt lernen. Unter den aktuellen Bedingungen heißt das, dass im selben Umfang sonderpädagogische Förderstunden ermöglicht werden müssen, wie Unterrichtsstunden in den Klassen geplant sind. Dafür ist eine Erhöhung der sonderpädagogischen Förderstunden notwendig. Chancengleiches Lernen braucht Förderstunden, und zwar Förderstunden mit Qualität.

Wir gehen davon aus, dass das unser und Ihr Ziel ist: die UN-BRK in der Berliner Bildung umzusetzen.

Wir  fordern  die Senatsverwaltung erneut auf, ein Beteiligungsformat einzurichten, in das alle Betroffenen und Beteiligten fortlaufend partizipativ eingebunden sind, damit Inklusion in Berliner Schulen tatsächlich Fortschritte bei der Umsetzung macht. Ohne diese Bereitschaft zur Kooperation, die nach Art. 4 Abs. 3 UN-BRK verpflichtend ist, werden erfahrungsgemäß immer wieder neue Pläne zur Umsetzung des ganzen Gegenteils von Inklusion durch Verantwortliche erdacht werden. 

Wir sind gern bereit, Sie mit unserer Expertise und unseren Erfahrungen zu unterstützen und dabei zu beraten, wie ein kurz-, mittel- und langfristigen Umsetzungskonzept für Inklusion in Berliner Grund- und Oberschulen nachhaltig und verlässlich geplant werden kann. Nur auf so einer Grundlage gewinnen wir Klarheit über die notwendigen finanziellen Mittel und können deren Bereitstellung sichern! An den Schwächsten kann und darf nichts mehr gespart werden.

Mit freundlichen Grüßen übereinanderliegende gezeichnete Hände als Umrisse

Anne Lautsch und Maike Dieckmann
für das Berliner Bündnis für schulische Inklusion

 

PS: Unser Leitbild, unsere Forderungen und vieles mehr finden Sie auf unserer Internetseite: https://buendnis-inklusion.berlin/forderungen/

 

Hier kann der offene Brief als PDF heruntergeladen werden.

05.05.2022: PM #InklusionFehlanzeige – Protestaktion und Übergabe Offener Brief an den Berliner Bildungssenat

Wir protestieren gegen die Aussage des Bildungssenats, dass „die Inklusion in Berlin für die Grundstufe bereits vollständig umgesetzt“ sei. Diese Position vertrat ein Staatssekretär der Berliner Senatsverwaltung für Bildung in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Partei „Die Linke“, die im März veröffentlicht wurde, (siehe Seite 6).

Protestbrief

Die Stellungnahme der Bildungsverwaltung steht im eklatanten Widerspruch zu allem, was Familien von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen, die Mitarbeitenden in sozialen Institutionen, Verbänden, Schulen und bei Trägern, alltäglich an Mangel und Lücken in der schulischen Inklusion in Berlin erleben müssen. Deshalb fragen wir den Senat in einem offenen Brief nach seinem Inklusionsverständnis und wollen wissen:

  • Was versteht der Senat unter Inklusion?
  • Was versteht der Senat unter “vollständiger Umsetzung”?
  • Wie viele Förderschulen mit Grundstufe gibt es in Berlin?
  • Wie viele Kinder besuchen im Schuljahr 2021/22 diese Förderschulen in der Grundstufe?
  • Wie erklärt sich der Senat bei “vollständiger Umsetzung”, dass es noch Förderschulen in Berlin gibt?
  • Wie stellt der Senat sicher, dass alle Kinder mit Förderbedarfen, die Regelschulen besuchen, qualitativ denselben Umfang und dieselbe Versorgung erhalten, wie sie an Förderschulen die Regel war?

Maike Dieckmann, vom Berliner Bündnis für schulische Inklusion, sagt dazu: „Wir empfinden eine derartige Aussage als echte Farce. Kämpfen doch so viele Familien seit Jahren um echte Inklusion an Berliner Schulen und leiden so viele Kinder unter der aktuellen Situation der Nixklusion.“

Protestaktion

Den offenen Brief haben mit uns über dreißig Gremien, Verbände, Iniativen und Gruppen unterzeichnet, hinter denen z.T. jeweils einige zehntausend Mitglieder stehen, und einhundert Bürger:innen. Wir werden den offenen Brief am Donnerstag, 5. Mai zwischen 15 und 17 Uhr an die Senatorin Busse und/ oder einen Staatssekretär aus ihrem Haus übergeben. Einige der größten Barrieren werden wir am 5. Mai vor der Bildungsverwaltung, Bernhard-Weiß-Straße 6, 10178 Berlin, aufbauen, um der Senatorin und ihren Staatssekretären zu demonstrieren, wie viel noch zu tun ist, bis Inklusion in der Berliner Bildungslandschaft vollständig umgesetzt sein wird. Wir vom Berliner Bündnis sind bereit, beratend und begleitend als Betroffene mit dem Senat zusammenzuarbeiten, um diese Ziele zu erreichen.

Protestziel

Aus Sicht des Berliner Bündnisses für schulische Inklusion kann es nur eine Grundlage für die Umsetzung von Inklusion in Berlin geben: die UN-Behindertenrechtskonvention – kurz UN-BRK, die 2009 in Kraft getreten ist, um eine gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen. Das ist verbrieftes Menschenrecht!

Langjährige Aktivistinnen und Aktivisten rund um die Inklusive Schule in Berlin sagen dazu: “Seit 2010 machen wir häufig die Erfahrung, dass Bemühungen und konstruktive Veränderungsvorschläge von Betroffenen und Verbänden durch die Senatsverwaltung blockiert werden. Das muss sich ändern.”

In Berlin gibt es noch immer über 60 Förderschulen, die meisten davon mit Grundstufe. Viele Kinder können nicht wohnortnah beschult werden, weil die Einzugsschulen weder die Ausstattung noch die Ressourcen haben, um den Förderbedarf umzusetzen. Oft beginnt das schon bei fehlender Barrierefreiheit für mobilitätseingeschränkte Kinder und Jugendliche, für seh- und hörbehinderte oder auch autistische Kinder. Aber auch die Lernbedingungen, die Ausstattung sowie fachliche Qualifikation und Personalschlüssel erfüllen zu selten die individuellen Anforderungen, die Kinder mit Förderbedarfen für eine inklusive Lernumgebung brauchen. Noch dazu müssen in allen Bildungsverwaltungen das Verständnis und die Wahrnehmung dafür geschärft werden, dass eine Umsetzung von echter Inklusion ALLEN Kindern zugutekommt.

Die vollständige Pressemitteilung hier herunterladen.

Social Media Protest #InklusionFehlanzeige

In den sozialen Medien, (Twitter, Instagramm und Facebook) taggen wir unseren Protest mit #InklusionFehlanzeige. Bitte nutzt den Hashtag für Eure Beiträge zur Unterstützung unseres Protests.

01.05.2022: Inklusion vollständig umgesetzt? Offener Brief an die Senatsverwaltung für Bildung

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Bozkurt, sehr geehrter Herr Staatssekretär Slotty,

wir, die unterzeichnenden Gremien, Verbände, Vereine, Initiativen und Betroffene sind hochgradig irritiert von Ihrer Aussage in der Antwort zur Drucksache 19 / 11 048 (https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-11048.pdf), Seite 6 wonach …. Inklusion in Berlin für die Grundstufe bereits vollständig umgesetzt. sei.

Diese können wir in keiner Weise nachvollziehen. Als Berliner Bündnis für schulische Inklusion haben wir einen dringenden und vor allem zeitnahen Gesprächs- und Aufklärungsbedarf. Wir beschäftigen uns z.T. seit Jahrzehnten mit dem Thema Integration, Inklusion und Teilhabe in Berliner Schulen und den konkreten Umsetzungsvoraussetzungen. Aus unserer Sicht kann von einer vollständigen Umsetzung der Inklusion in der Grundstufe in Berlin nicht im Ansatz die Rede sein.

Wir fragen uns:
• Auf welcher Definitionsgrundlage von Inklusion haben Sie diese Aussage getätigt?
• Auf welche Leistungen und Zahlen stützt sich Ihre Einschätzung „vollständig umgesetzt“? 
• Warum gibt es noch über 60 Förderschulen in den Klassenstufen 1-6, wenn Inklusion vollständig umgesetzt ist?
• Wie viele Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden in 1-6 an Förderschulen unterrichtet? 
• Wie verhält sich „vollständig umgesetzt“ zu dieser Anzahl?
• Wie kommt es, dass Kinder mit einer Behinderung an ihren Einzugsschulen häufig gar nicht beschult werden können, da z.B. kein Fahrstuhl, keine Ausstattung und kein Fachpersonal vorhanden ist?
• Wie wird die irritierende Behauptung begründet, dass die tatsächliche Umsetzung von Inklusion und einer inklusiven Schulen bereits personell gewährleistet sei und sich daher kein erhöhter Lehrkräftebedarf ergebe?

Tagtäglich sind wir mit den z.T. massiven Problemen und Herausforderungen von Eltern von Kindern mit Behinderungen und Lehrenden konfrontiert. Hier nur einige Beispiele:

  1. Unzählige Familien reiben sich bei der Suche nach einer geeigneten Schule für ihr Kind mit Behinderung jedes Jahr auf: unter anderem, da viele Schulen bislang keine Fahrstühle oder rollstuhlgerechten Toiletten haben. Somit ist schon die Grundausstattung für Kinder mit Mobilitätseinschränkungen nicht gegeben.
  2. Ist die Einzugsschule aufgrund ihrer Gegebenheiten nicht in der Lage ein Kind mit erhöhtem Förderbedarf zu beschulen, ist es häufig kaum möglich, eine geeignete wohnortnahe Schule zu finden. Kinder müssen dann in die für den Wohnbezirk zuständige Förderschule. Es gibt etliche SchülerInnen mit Förderbedarf, die keinen Schulplatz haben oder nur verkürzt in die Schule gehen können.
  3. Der Lehrkräftemangel führt dazu, dass Schulhelfer*innen, Sonderpädagog*innen und weiteres Personal häufig nicht den Kindern oder Klassen mit hohen Unterstützungsbedarfen zugutekommen, sondern als Vertretungskräfte in andere Klassen abgezogen werden.
  4. Die fachlichen Kompetenzen für die sehr unterschiedlichen Bedarfe von z.B. nicht-sprechenden Kindern, Kindern mit herausforderndem Verhalten, Sinnes-beeinträchtigungen, Autismus, FASD, etc. fehlen an sehr vielen Schulen.
  5. Schulhelferstunden sind nur sehr selten an den Bedarf des Kindes oder der Klasse angepasst, die Stunden reichen nicht für den gesamten Schulalltag. Wir kennen viele Familien, die die benötigten Schulhelferstunden erst über den Rechtsstreit mit den Teilhabefachdiensten erhalten.
  6. Die Ausbildung und Zuteilung von Schulhelfer*innen ist weiterhin sehr unbefriedigend. Eine nachhaltige Strategie zur Verbesserung der Kompetenzen und Einbindung von Schulhelfer*innen fehlt bisher
  7. Der bisherige Haushaltsentwurf mit Kürzungen im Bereich Bildung sowie Lehrkräftebildung wird die Umsetzung von Inklusion in den kommenden Jahren weiter erschweren. Hier muss dringend gegengesteuert werden.

Nach unserem Verständnis ist Inklusion dann umgesetzt, wenn:

  1. Jedes Kind mit jeder Form von Förderbedarf sofort an jeder Grundschule aufgenommen werden kann und unmittelbar alle benötigten Ressourcen zur Verfügung stehen, um eine tatsächliche Beschulung ab der ersten Stunde zu garantieren. Dies beinhaltet, dass:
  2. der personelle Bedarf des Kindes, der Klasse und der Schule zu 100% abgedeckt ist,
  3. die räumliche Ausstattung vollständig gewährleistet ist, also alle Schulen barrierefrei für Kinder mit Mobilitätshilfen (Rollstuhl, Gehhilfen etc.) und Sinnesbeeinträchtigungen vollumfänglich umgebaut sind,
  4. die sächliche Ausstattung, alle Hilfsmittel, notwendigen Materialien etc. zur Verfügung stehen,
  5. die Klassenstruktur flexibel gestaltet werden kann, um Kindern mit Bedarf an Kleinklassen und ruhiger Atmosphäre gerecht zu werden.
  6. Es keine gesonderten Förderschulen mehr gibt, sondern diese in den Pool der inklusiven Schulen mit aufgenommen werden. 
  7. Jedes Kind die individuellen angemessenen Vorkehrungen erhält, wie sie die UN-BRK in Artikel 24 Abs. 2c, d und e vorsehen
  8. Nicht nur Quantität, sondern auch die Qualität von inklusiver Beschulung garantiert ist. Neben der vollumfänglichen Umsetzung von formellen, sächlichen und personellen Gegebenheiten, können Kinder ihren Kompetenzen, Bedarfen und Bedürfnissen entsprechend lernen und teilhaben und werden ihren eigenen Ausgangslagen entsprechend gefördert. Dies bedeutet, dass Kinder mit Förderbedarf in den Klassen nicht einfach nur dabei sind, sondern gleichberechtigte Teilnehmende der Schulgemeinschaft.

In unserem Leitbild steht: „Inklusion ist dann erreicht, wenn wir in unserer Gesellschaft alle gleichberechtigt und chancengleich zusammenleben und lernen“. Dies ist bisher in der Grundstufe nicht gegeben, an den Oberschulen gibt es noch viel mehr zu tun. Es herrscht eine eklatante Lücke zu den in der UN-BRK benannten Vorkehrungen.

Wie auf https://www.berlin.de/sen/bildung/schule/inklusion/fachinfo/ nachlesbar, hat die Senatsverwaltung Konzepte zu den einzelnen Förderschwerpunkten vorliegen, die auch in das Rahmenkonzept “Inklusive Schwerpunktschule” eingeflossen sind. Demzufolge würde die Aussage, dass es eine flächendeckende Umsetzung der Inklusion gibt, bedeuten müssen, dass es keine derartigen Schwerpunkt-Grundschulen mehr geben dürfte. Im Übrigen fehlt eine nachvollziehbare Aussage der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, ob die Kriterien, die zu den einzelnen Förderschwerpunkten erarbeitet worden sind, zumindest in den Schwerpunktschulen bereits umgesetzt sind.

Seit Jahren senden verschiedene Gremien und Verbände der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie ihre Forderungen und Bitten um Veränderung. Das Berliner Bündnis für schulische Inklusion übergab zuletzt ihre Forderungen in Kooperation mit dem Berliner Behindertenparlament am Welttag der Menschen mit Behinderungen, dem 05.05.2021, an die Verantwortlichen, siehe hier: [Link BBP Forderungen].

Wir sehen dringenden Handlungsbedarf in dieser Sache. Wir fordern die Senatsverwaltung auf, ein Beteiligungsformat (z.B. eine Steuerungsgruppe) einzurichten, in das alle Betroffenen und Beteiligten partizipativ eingebunden sind, damit Inklusion in Berlin tatsächlich Fortschritte bei der Umsetzung macht. Es bedarf eines kurz-, mittel- und langfristigen Umsetzungskonzeptes, das Inklusion in Grund- und Oberschulen nachhaltig und verlässlich plant und dabei auch Klarheit über die notwendigen finanziellen Mittel schafft – und deren Bereitstellung sichert.

Gerne unterstützen wir die Organisation eines solchen Formates.

Unsere Unterlagen, Zahlen und Berichte, aus denen wir unsere oben getätigten Aussagen ableiten, stellen wir gerne zur Verfügung.

Unsere Forderungen können Sie hier nachlesen: Forderungen – Berliner Bündnis für schulische Inklusion (buendnis-inklusion.berlin)

Mit freundlichen Grüßen,
Anne Lautsch und Maike Dieckmann 
für das Berliner Bündnis für schulische Inklusion

Hier können Sie den offenen Brief mit den Namen aller Unterzeichnenden herunterladen.

Kolumne Mai 2022 – Teil II: Inklusion vollständig umgesetzt? Ein Blick in die Zahlen der KMK

Wer also tatsächlich messen möchte, wie weit Inklusion umgesetzt ist, muss auf die Exklusion gucken: was bewegt sich in Bezug darauf, Ausschluss von Kindern mit Behinderung zu verringern? Wie weit hat sich das System als System tatsächlich verändert? Das ist leider sehr überschaubar – sowohl in Berlin als auch bundesweit. Während wir auf die aktuellen Zahlen des Senats als Antwort auf den offenen Brief warten, können wir die Zahlen betrachten, die uns in der KMK Statistik zur Verfügung stehen (Januar 2022):

2011 haben 10.883 Kinder in Berlin eine Förderschule besucht; 2020 waren es noch 8.345 (a.o. S. 25, Tabelle B.1.1).

2011 haben 9.750 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Berlin allgemeine Schulen besucht; 2020 waren es 19.815 (a.o., S. 53, Tabelle B 2.1.1.1).
Insgesamt gab es 2011 in Berlin 273.413 Schüler:innen; 2020 319.347 (a.o. S. 118).

Das heißt: einem Rückgang von gut 2.500 Kindern an den Förderschulen steht ein Anstieg von über 10.000 Kindern an den Regelschulen gegenüber. Da die Schüler:innenzahl in diesem Zeitraum gestiegen ist, bedeuten 2500 Kinder und Jugendliche weniger an Förderschulen einen Rückgang von etwa 1,4 Prozentpunkten (c. 4% zu 2,6%). Demgegenüber steht ein Anstieg von Kindern mit Förderbedarfen in allgemeinen Schulen (Inklusionsquote) von 3,6 auf 6,2% – knapp 60%. Der Anteil von Kinder mit sonderpädagogisch diagnostiziertem Förderbedarf (die Förderquote) ist in in diesem Zeitraum Berlin von ca. 7,5% auf c. 8,8% gestiegen (eigene Berechnungen auf der Basis von KMK Statistik: Tabellen B.1.1, B 2.1.1.1 und Gesamtschülerzahl a.a.O. 118). Continue reading „Kolumne Mai 2022 – Teil II: Inklusion vollständig umgesetzt? Ein Blick in die Zahlen der KMK“

Kolumne Mai 2022 – Teil I: Inklusion vollständig umgesetzt? Eine Frage von Begriffen

Am 21. Februar 2022 hat die Abgeordnete Franziska Brychcy (Die Linke) eine kleine Anfrage an den Berliner Senat gestellt, deren letzte zwei Punkte lauteten:

„16. Wie bewertet der Senat die Ergebnisse der im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) angefertigten Studie von Prof. Klemm, der Lehrkräftebedarf und das Angebot der Lehrkräfte bis 2030 untersuchte und mindestens 81.000 fehlende Lehrkräfte errechnete?
17. Wie hoch wäre in diesem Zusammenhang der zusätzliche Lehrkräftebedarf, der für Berlin durch die fehlende Abbildung von Inklusion und Ganztagsschulbetrieb in den bisherigen Prognosen bisher nicht berücksichtigt worden wäre?“

Die Antwort des Senats dazu vom 9. März 2022, unterschrieben von Aziz Bozkurt, liest sich so: […] Die aufgestellten Annahmen zu Inklusion und Ganztagsbetrieb treffen in Berlin ebenfalls nicht zu. Zum einen ist die Inklusion in Berlin für die Grundstufe bereits vollständig umgesetzt, zum anderen ist auch der Ganztagsbetrieb in Berlin bereits umfassend ausgebaut.“

Leider geht diese Antwort der Senatsverwaltung für Bildung an das Berliner Abgeordnetenhaus nicht mit einer Analyse einher, worauf genau sich die Aussage, Inklusion sei „bereits vollständig umgesetzt” gründet. Continue reading „Kolumne Mai 2022 – Teil I: Inklusion vollständig umgesetzt? Eine Frage von Begriffen“

05.05.2021: Berlin Film und Bericht zum Protesttag am Roten Rathaus

Zwei Frauen und ein Mann erheben die Hände und rufen etwas. Sie stehen vorm Roten Rathaus

Die Aktion:

Und was sagte Frau Scheeres zum Antrag des Parlaments und zur Aktion?:

Bericht: Am 05. Mai, dem „Europäischen Protesttag für Menschen mit Behinderungen“, fand vor dem Roten Rathaus die erste öffentliche Aktion des Berliner Bündnis für schulische Inklusion (BBSI) statt. Continue reading „05.05.2021: Berlin Film und Bericht zum Protesttag am Roten Rathaus“

5.05.2021: Berlin braucht „Gute Schulen für Alle“! Mitmach-Aktion am Roten Rathaus

Zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen rufen wir zu einer Mitmachaktion auf. Denn: Berlin braucht „Gute Schulen für Alle“! Wir protestieren am 5. Mai von 15 bis 17 Uhr vor dem Roten Rathaus für das Recht auf inklusive Bildung endlich, überall, für alle!

Die wichtigst en Forderungen wird das Bündnis am 05. Mai 2021 an die Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie Sandra Scheeres im Rahmen des 1. Berliner Behindertenparlament übergeben.

Der dringendste Handlungsbedarf besteht in fünf Forderungen Continue reading „5.05.2021: Berlin braucht „Gute Schulen für Alle“! Mitmach-Aktion am Roten Rathaus“