10.10.2023: #InklusiveBildungJetzt! Der Bund ist gefordert

Es besteht dringender Handlungsbedarf bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention vor allem im Bereich inklusiver Bildung (Artikel 24 UN-BRK)!

Das ist die Botschaft eines Offenen Briefes, den auch der Berliner Bündnis für schulische Inklusion gezeichnet hat, der am Dienstag, den 10. Oktober 2023, in Berlin übergeben wird.

Initiatorinnen der Aktion sind Eltern von Kindern mit Behinderung aus mehreren Bundesländern, die am 29./30. August bei der UNO in Genf anlässlich der Staatenprüfung Deutschlands zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gegen die fehlende Realisierung der inklusiven Bildung protestiert hatten.

Eine Gruppe von Aktivistinnen  stehen vor dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, In Ihren Händen halten sie den Offenen Brief #InklusiveBildungJetzt! und Blätter mit den Logos der 130 unterzeichnenden Verbände und Organisatioen.

Unterzeichnet haben den Brief bisher mehr als 130 Verbände und Organisationen sowie mehr als 1.000 Einzelpersonen aus ganz Deutschland, darunter viele Eltern von Kindern mit Behinderung und in der Bildungspraxis und der Wissenschaft Tätige. Zu den erstunterzeichnenden Verbänden gehören zum Beispiel der Deutsche Paritätische Gesamtverband, die Sozialverbände VdK und SoVD, der Grundschulverband, die Gewerkschaft GEW, der Verband Sonderpädagogik, das Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit, die LIGA Selbstvertretung und zahlreiche Selbstvertretungs- und Elternorganisationen.

Der Brief richtet sich bewusst nicht an die Bundesländer, sondern an den Bund. Denn Deutschland als Gesamtstaat muss sich nach der deutlichen Rüge durch den UN-Fachausschuss bei der Staatenprüfung in Genf Ende August, so die Unterzeichner, endlich seiner vollen Verantwortung für inklusive Bildung in Deutschland stellen und darf das nicht allein den Bundesländern überlassen. Janine Schott vom Berliner Bündnis für Schulische Inklusion, die gemeinsam mit anderen Engagierten in einem Protestcamp in Genf vor Ort dabei war, sagt für die Unterzeichner: „Deutschland als Ganzes ist die völkerrechtliche Verpflichtung eingegangen. Deshalb muss nun Schluss sein mit dem steten Verweis auf den Föderalismus: „Da können wir als Bund leider nichts tun.“ Und der Haltung: Wir waschen unsere Hände in Unschuld.“

Formuliert sind im Brief vier konkrete Forderungen:

  1. Der Bund muss auf umfassende Aktionspläne für inklusive Bildung durch die Länder dringen.
  2. Er muss eine einheitliche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Bildungsbereich sicherstellen.
  3. Der Staat muss in allen Bereichen die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention offensiv vertreten.
  4. Die Bundesregierung muss eine bundesweite Aufklärungskampagne starten, die deutlich macht: Inklusion ist Menschenrecht und damit Pflicht, keine Kür und vor allem nicht in das Belieben der Länder gestellt.

Hier kann der offene Brief an den Bund #InklusiveBildungJetzt! mit allen (bisher) Zeichnenden heruntergalden werden:

Hier können Sie den Brief noch mit unterzeichnen:

http://allianz-inklusive-bildung.de/unterzeichne-den-offenen-brief/

02.09.2023: Zurück aus Genf – Schämt Euch! Die richtige Parole für den Protest

Über 30 Eltern aus dem ganzen Bundesgebiet waren am 29. und 30. August nach Genf gereist. Sie begleiteten die Staatenprüfung der Bundesrepublik vor dem Fachausschuss der UN-BRK einem Protestcamp auf dem Place des Nations. Auch aus Berlin waren wier Aktivist:innen dabei. Leider kommen sie mit allem anderen als guten Nachrichten aus der Schweiz zurück. Denn es kann kaum eine größere Diskrepanz geben zwischen dem, was die Zivilgesellschaft zum Stand der Umsetzung der UN-BRK berichtet hat und dem, was die Bundesregierung dazu zu sagen hat.

Die erste Stellungnahme der UN zu den zwei „dollen“ Tagen fällt sehr kritisch aus: https://unric.org/de/behinderung31082023/

Hier ein Bericht zur Staatenprüfung, der auch über den Elternprotest berichtet: https://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2023-08/59984562-un-kritik-an-deutschlands-umgang-mit-menschen-mit-behinderung-016.htm

Die Monitoringstelle zur Umsetzung der UN-BRK, das Deutsche Institut für Menschenrechte, veröffentlichte diese Stellungnahme am 30. August: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/aktuelles/detail/menschenrechtsinstitut-fordert-mehr-einsatz-fuer-inklusion-von-menschen-mit-behinderungen. Die Delegation war auch in Genf und besuchte das Protestcamp und sprach mit den Eltern. Außerdem erstatteten sie dem Ausschuss Bericht und verfolgten die Anhörung.

Wir waren uns im Vorfeld nicht sicher, ob diese Parole auf dem Banner für den Elternprotest die richtige ist. Leider mussten wir feststellen, dass es zur erschütternden Selbstgewissheit und Ignoranz, mit der sich der Delegationsleiter, Staatssekretär Dr. Schmachtenberg vom BMAS und auch andere Vertreter:innen (etwa der KMK) vor dem Fachausschuss präsentierten, nichts besseres zu sagen gibt.

August 2023: Deutschland vor Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) – Wir protestieren mit anderen Eltern in Genf

Eltern aus verschiedenen Teilen Deutschlands setzen ein klares Zeichen für inklusive Bildung und die Gleichberechtigung von Kindern mit Behinderungen. Anlässlich der bevorstehenden Staatenprüfung in Genf am 29. und 30. August 2023 werden sich über 30 Elternteile aus acht Bundesländern vor dem UNO-Gebäude versammeln, um auf die prekäre Situation von behinderten Kindern und Jugendlichen  in Deutschland aufmerksam zu machen. Die Initiative geht von mittendrin e.V. aus Köln (Link: https://www.mittendrin-koeln.de/mitmachen/kommt-mit-nach-genf) aus und wird vom Berliner Bündnis für schulische Inklusion und weitern engagierten Elterninitiativen und Organisationen unterstützt.

Die zentrale Kritik der Eltern richtet sich gegen die mangelhafte Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland. Um auf die Missstände hinzuweisen, wurde von der Elternbewegung auch eine offizielle Stellungnahme beim UN-Fachausschuss eingebracht, die die Versäumnisse der Politik und die Situation für Kinder mit Behinderungen schildert. Insbesondere bemängeln sie das Festhalten an segregierenden Sonderschulen und den Umstand, dass das sogenannte Elternwahlrecht als Rechtfertigung für den Erhalt von Förderschulen genutzt wird. Dieses scheinbare Wahlrecht erweist sich oft als Illusion, da Eltern oft nur die Wahl zwischen unzureichend ausgestatteten Regelschulen und Förderschulen haben. (Link zur englischen und deutschen Version: https://www.mittendrin-koeln.de/aktuell/detail/der-uno-ist-unser-foederalismus-egal)

„Als mein Sohn in die Schule kam, habe ich trotz Klage keinen Schulplatz an der inklusiv gut ausgestatteten Gemeinschaftsschule, in die seine große Schwester geht, bekommen, sondern musste ihn an der Regelschule mit nur einer Sonderpädagogin einschulen” erzählt Sandra Nedeleff vom Berliner Bündnis für schulische Inklusion. “Von den ihm zugemessenen 8 Förderstunden für den Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung findet, wenn überhaupt, nur eine in der Woche statt. Den Rest muss die einzige Sonderpädagogin der Schule im Regelunterricht vertreten – und das erleben viele behinderte Kinder an Berliner Schulen so.” Daher sei es für sie auch sofort klar gewesen, als Vertreterin des Berliner Bündnisses für schulische Inklusion mit nach Genf zu fahren und sich an dem Protestcamp der Eltern zu beteiligen.

Berlin ist dabei kein Einzelfall, denn auch andere Bundesländer weisen erhebliche Defizite in der Umsetzung der UN-BRK auf. Die Elternproteste rücken diese dringend benötigte Veränderung in der Bundesrepublik ins Licht. Die Kritik der Eltern findet Unterstützung durch namhafte Institutionen wie den Deutschen Behindertenrat und das Deutsche Institut für Menschenrechte. Beide haben ihre Parallelberichte veröffentlicht, die im Vorfeld der Staatenprüfung in Berlin vorgestellt wurden. Der Deutsche Behindertenrat bemängelt das Fehlen einer klaren Strategie für inklusive Bildung in Deutschland, während das Deutsche Institut für Menschenrechte eine allgemeine Stagnation in der schulischen Inklusion feststellt.

Der UN-Fachausschuss wird die eingereichten Parallelberichte sowie weitere Berichte aus der Zivilgesellschaft in den Beratungsprozess mit der Bundesregierung einbeziehen. Insbesondere im Bereich inklusive Bildung (Art. 24 UN-BRK) deutet sich eine Rüge Deutschlands für die mangelhafte Umsetzung der UN-BRK an.

Das Berliner Bündnis für schulische Inklusion zeigt Solidarität mit den protestierenden Eltern und beteiligt sich aktiv am Protestcamp in Genf. Vier Elternteile aus Berlin werden vor Ort sein, um sich für eine dringend benötigte Verbesserung der inklusiven Bildung einzusetzen.


Link zum Parallelbericht des Deutschen Behindertenrats: https://www.deutscher-behindertenrat.de/ID292569

Link zum Parallelbericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/parallelbericht-an-den-un-ausschuss-fuer-die-rechte-von-menschen-mit-behinderungen-zum-23-staatenpruefverfahren-deutschlands

Link zur Stellungnahme der Elternbewegung zur inklusiven Bildung in Deutschland: https://www.mittendrin-koeln.de/aktuell/detail/der-uno-ist-unser-foederalismus-egal

Link zum zweiten und dritten Staatenbericht der Bundesrepublik für den Fachausschuss der UN-BRK: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Internationales/staatenbericht-un-behindertenrechtskonvention.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Alle Dokumente zur Staatenprüfung finden Sie bereits auf den Seiten des UN- Fachausschusses hier: https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/treatybodyexternal/SessionDetails1.aspx?SessionID=2622&Lang=en