05.06.2025 Mahnwache vor dem Abgeordnetenhaus: Schluss mit der rückwärtsgewandten Bildungspolitik in Berlin!

Am Donnerstag tagt der Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie des Berliner Abgeordnetenhauses. Im Mittelpunkt dieser 54. Sitzung des Bildungsausschusses steht das Thema „inklusive Schulbildung“. Aus diesem Anlaß rufen wir gemeinsam mit dem Initiativenverbund „Schule muss anders“ und der Elterninitiative „Eltern gegen Rechts“ zur Mahnwache auf. Unter dem Motto „Eine gute Schule für alle – Gegen den Rückbau der Inklusion!“ demonstrieren wir am 5.6.2025 zwischen 14 und 17 Uhr vor dem Abgeordnetenhaus für die sofortige und ernsthafte Umsetzung inklusiver Bildung in Berlin.

„Es macht uns wütend, dass noch immer mit dem Elternwahlrecht für Exklusion argumentiert wird“, so Janine Schott vom Berliner Bündnis für schulische Inklusion. Erst kürzlich habe die Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) erklärt, sie folge damit dem Wunsch von Eltern von Kindern mit Behinderung nach einem „geschützten Rahmen“. Schott entgegnet: „Solange Inklusion nicht mit finanzieller und personeller Förderung einhergeht, bleiben unsere Kinder ungeschützt. Wir halten es für taktisches Falschverstehen, wenn aus schlecht geförderter Inklusion ein Strohmann- Argument für eine Welle neuer Segregations-Maßnahmen wird.“ 

Die Berliner Bildungspolitik treibt seit Monaten unerbittlich die Exklusion voran. Eindeutige Schritte sehen wir u.a. in:

  • der Neuregelung der Sonderpädagogikverordnung, die u.a. die Einrichtung von Kleinklassen für Kinder mit Förderbedarf ohne inklusives Gesamtkonzept anstrebt
  • dem Neubau von bis zu 6 neuen Förderzentren in Berlin und
  • der absichtlichen Falschauslegung des Elternwunsches.

Franziska, engagierte Mutter bei der  Elterninitiative „Eltern gegen Rechts“, erklärt: „Unsere Kinder mit Behinderung werden täglich ausgegrenzt. Exklusion hat eine dunkle Geschichte. Angesichts der aktuellen Politik haben wir Eltern Angst um unsere Kinder und ihre Rechte. Wir fordern: Sehen Sie nicht länger weg! Übernehmen Sie Ihre historische Verantwortung!“.

Deshalb fordern wir die Berliner Bildungssenatorin auf:

  • die inklusive Beschulung für alle Schülerinnen und Schüler ernsthaft zu fördern und zu entwickeln
  • Angemessene Vorkehrungen für den Schulalltag JETZT ins Schulgesetz aufzunehmen
  • und ihre historische Verantwortung zu erkennen: Niemals ist Jetzt!

Unterstützt unseren Protest. Kommt am Donnerstagnachmittag zum Abgeordnetenhaus. Helft uns, dass unsere Forderungen gesehen und gehört werden.

05.05.2025 Petition startet: Schluss mit dem Inklusions-Chaos! – “Angemessene Vorkehrungen” ins Schulgesetz!

Das Chaos bei der Inklusion an Berliner Schulen reißt nicht ab! Wir hören es von Eltern, wir hören es vom Schulpersonal – so wie es aktuell gemacht wird, funktioniert es an den meisten Schulen einfach nicht.  

Wir fordern:
„Angemessene Vorkehrungen“ ins Berliner Schulgesetz! Verbindlich. Klar. Durchsetzbar.  Denn:

📌 Inklusion ist kein Extra.
📌 Es ist ein Menschenrecht!
📌 Und ein Versprechen, das endlich eingehalten werden muss.

Kinder mit Behinderungen haben ein Recht auf Bildung – und auf Rahmenbedingungen, die das möglich machen. Das Chaos muss ein Ende haben!  Wir brauchen klare Vorgaben, was die Schulen mindestens tun müssen, um alle Kinder gut zu unterrichten.

Unterschreibe unsere Petition, um unsere Forderung zu unterstützen direkt bei WeAct:

https://weact.campact.de/petitions/schluss-mit-dem-inklusions-chaos-angemessene-vorkehrungen-ins-schulgesetz

❗ Inklusion muss professionell geplant sein! Die Autor*innen der UN-Behindertenrechtskonvention betonen, dass es „angemessene Vorkehrungen“ braucht. 

Was heißt das? 

  1.  Individuell: Das Kind hat, was es zum Lernen braucht.
    Zum Beispiel bedarfsgerechte Schulassistenz, Materialien zum Lernen, Rückzugsmöglichkeiten
  2. Strukturell: Die Schule ist vorbereitet.
    Zum Beispiel Weiterbildung zur Inklusion von Kindern mit Behinderungen, Absprachen im Kollegium, Lehrkräften Zeit geben für Inklusion und individuelle Unterstützung.

Warum ist das wichtig?

Diese „angemessenen Vorkehrungen“ stehen bereits in einem Berliner Gesetz!
( § 5 Landesgleichberechtigungsgesetz). Aber im Schulgesetz fehlen sie. Und das hat Folgen:

Eltern müssen jahrelang kämpfen – um Unterstützungsleistungen und um eine passende Schule. 

Schulen improvisieren – ohne Ressourcen, ohne Zuständigkeiten, überlastet von Anträgen, die kaum Entlastung bringen. Zum Beispiel dauert  ein Antrag auf den Förderschwerpunkt Autismus dauert aktuell etwa ein Jahr – solange fehlt jede Unterstützung.

Kinder warten – und warten – während ihre Bildungschancen zerrieben werden zwischen Zuständigkeitsgerangel und Antragsverfahren.  

Inklusion bleibt so ein leeres Versprechen!

Liebe Frau Senatorin –Schaffen Sie endlich Klarheit!
Sorgen Sie für verbindliche Mindeststandards an allen Berliner Schulen.
Im Sinne unserer aller Kinder.  

Herzliche Grüße,
Ihr Berliner Bündnis für schulische Inklusion 

📢 Schließ Dich der Forderung an und hilf uns, diese Petition zu verbreiten –
Je mehr wir sind, desto eher wird die Politik handeln!

Quellen: 
Barrieren im Einzelfall überwinden: Angemessene Vorkehrungen gesetzlich verankern | Institut für Menschenrechte

Die UN-Behindertenrechtskonvention

Gesetz über die Gleichberechtigung von Menschen mit und ohne Behinderungen (Landesgleichberechtigungsgesetz – LGBG) | Berlin.de

24.04.2025: Wir protestieren gegen die neue SonderPädagogikverordnung (SoPädVO) mit einem offenen Brief

Wir, das Berliner Büdnnis für schulische Inklusion, haben heute, am 24.04.2025, gemeinsam mit zahlreichen Partner:innen u.a. Netzwerk Artikel 3, ISL Selbstbestimmt Leben, dem Grundschulverband Berlin, der GEW, der Lebenshilfe, dem Türkischen Bund Berlin Brandenburg, Eltern gegen Rechts, einen offenen Brief an die Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch gerichtet, in dem wir die am 7. März 2025 in Kraft gesetzte Neuregelung der Sonderpädagogikverordnung (SopädVO) scharf kritiseren.

Diese Verordnung wurde unter Missachtung grundlegender rechtsstaatlicher Prinzipien und Beteiligungsrechte erlassen. Sie verstößt nicht nur gegen das Berliner Schulgesetz, sondern auch gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, das Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) und das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG).

Warum wir protestieren:

  • Die SopädVO wurde ohne Mitzeichnung der zuständigen Senatsverwaltung für Antidiskriminierung veröffentlicht – obwohl diese Diskriminierungstatbestände klar benannt hat.
  • Gesetzlich vorgeschriebene Beteiligungsverfahren der Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderungen wurden nicht eingehalten.
  • Die Verordnung stellt einen dramatischen Rückschritt für die schulische Inklusion in Berlin dar.

Was das konkret bedeutet:

  • Einführung von Kleinklassen ohne inklusives Konzept
  • Einschränkung des Haus- und Krankenhausunterrichts für Schüler*innen ab Sekundarstufe II
  • Verdrängung aus dem Regelschulsystem, z. B. durch die Abschiebung in Werkstätten für behinderte Menschen nach der 10. Klasse
  • Noch immer keine rechtsverbindlichen Ansprüche auf angemessene Vorkehrungen im Schulalltag

Unsere Forderung ist klar:

👉 Die 3. Änderung der Sonderpädagogik-Verordnung muss sofort ausgesetzt werden!
👉 Stattdessen braucht es eine Neuregelung, die im Einklang mit Menschenrechten, demokratischen Prinzipien und dem Berliner Landesrecht steht – und mit echter Beteiligung der Betroffenen entsteht.

Wir fordern Transparenz, Mitbestimmung und ein klares Bekenntnis zu inklusiver Bildung in Berlin! 👉 Hier geht’s zum vollständigen Offenen Brief, den wir gemeinsam mit zahlreichen Organisationen unterzeichnet haben und weiter unterzeichnet werden kann:

Kurzversion für Kinder
Offener Brief – Bitte sagt Euren Erwachsenen Bescheid Herunterladen

19.03.2025: Berliner Bündnis für schulische Inklusion kritisiert den Abbau der Inklusion in Berliner Grundschulen scharf

Das Berliner Bündnis für schulische Inklusion übt scharfe Kritik an der geplanten Zumessungsrichtlinie für das Schuljahr 2025/26. Denn darin werden die sonderpädagogischen Förderstunden im Bereich Lernen, emotionale-soziale Entwicklung und Sprache umverteilt, was in der Praxis heißt, sie fehlen bei den Schülerinnen und Schülern eben genau mit diesen Bedarfen. 

Der tatsächliche individuelle Bedarf jeden einzelnen Kindes soll im Fokus sein

Die Umstellung der Zumessungsrichtlinie in Verbindung mit der veränderten Vergabe der sonderpädagogischen Förderschwerpunkte dient laut SenBJF einer gerechteren Ressourcenzuteilung und einer besseren Unterstützung für belastete Schulen. Das sind schöne Worte für eine verheerende Maßnahme. Das Berliner Bündnis für schulische Inklusion warnt, dass diese Änderungen bestehende Benachteiligungen verstärken und die Inklusion von Kindern mit Behinderungen noch schwieriger wird, als sie sowieso schon in Berlin ist. Um das Ziel der Chancengleichheit wirklich zu erreichen, ist es unabdingbar, dass bei der Zuteilung von Ressourcen nicht nur strukturelle Belastungen, sondern auch der tatsächliche individuelle Bedarf jedes einzelnen Kindes im Fokus bleibt. Dass Berliner Grundschulen zukünftig gleich viele zusätzliche Lehrkräftestunden für Inklusion erhalten sollen, unabhängig davon, wie viele Schüler*innen mit den Förderbedarfen Sprache, Lernen oder emotional-soziale Entwicklung dort lernen, verschärft  die Ungerechtigkeit im Berliner Schulsystem und diskriminiert behinderte Schüler und Schülerinnen.

„Die geplante pauschale Zuweisung von Förderstunden für alle Schulen, ohne Berücksichtigung des individuellen Bedarfs an jeder einzelnen Schule, schadet den Anstrengungen  vieler Schulen in Berlin  inklusiv zu arbeiten, alle Kinder aus der Nachbarschaft gut zu beschulen.“, erklärt das Bündnis. Die Pauschalisierung führt zu einer massiven Benachteiligung von Schulen, die besonders viele Kinder mit spezifischen Förderbedarfen betreuen – insbesondere solche mit emotional-sozialen Auffälligkeiten oder Sprach- und Lernschwierigkeiten.

Zusätzlich zu dieser problematischen Umverteilung hat die kürzlich erfolgte Neuregelung der Förderschwerpunktzuweisung erhebliche Auswirkungen auf die konkrete Förderung betroffener Schüler*innen. Insbesondere betrifft dies Kinder mit Behinderungen, die früher mit  Förderschwerpunkt „Körperliche und motorische Entwicklung“ gefördert waren, wie etwa Kinder mit fetaler Alkoholspektrumstörung (FASD). Da der Förderschwerpunkt nun auf motorische Einschränkungen reduziert wurde, bleiben diese Kinder ohne die notwendige sonderpädagogische Unterstützung, denn für den Förderschwerpunkt “Emotionale und soziale Entwicklung” gibt es bis zur 3. Klasse gar keine weiteren Hilfen in der angeblich verlässlichen Grundausstattung. Diese Entwicklung vergrößert die bereits bestehenden Lücken in der Versorgung dieser und anderer neurodivergenter Kinder. Einige müssen aufgrund der Aberkennung des Förderschwerpunkts sogar die Schule wechseln. Das ist ein ungeheurer Vorgang, diese  betroffenen Kinder einer derartigen Belastung auszusetzen.

„Die Umstellung bei der Zuweisung von Förderschwerpunkten, die eine grundlegende Neudefinition von Förderbedarfen mit sich bringt, verstärkt die Problematik der pauschalisierten Förderstunden. Kinder mit emotional-sozialen Auffälligkeiten, die aufgrund der neuen Förderschwerpunktzuweisung nicht mehr ausreichend unterstützt werden können, sind faktisch von einer angemessenen Förderung ausgeschlossen. Viele von ihnen werden verkürzt beschult oder gar nicht beschult“, so das Bündnis.

2000 unbeschulte und verkürzt beschulte Kinder

In Verbindung mit den geplanten Änderungen in der Zumessungsrichtlinie führt dies zu einer unzureichenden Ressourcenzuweisung für die betroffenen Schulen. Diese neuen Regelungen schaffen eine ungleiche Verteilung von Ressourcen, die insbesondere Schulen mit einem hohen Anteil an Kindern mit speziellen Förderbedarfen benachteiligen. Das Bündnis befürchtet, dass die ohnehin schon steigende Zahl von nicht beschulten oder verkürzt beschulten Kindern durch diese Veränderungen weiter ansteigen wird. Das Bündnis hat kürzlich aus gut unterrichteten Kreisen erfahren, dass die Schätzung, dass es in Berlin über 1000 unbeschulte Kinder gibt, leider von der Realität noch übertroffen wird, da es einer Erhebung der Sen BJF zufolge wohl ca. 2000 Kinder sind. 

„Die pauschale Umverteilung von Sonderpädagogikstunden für die Förderschwerpunkte Lernen, emotional-soziale Entwicklung und Sprache, kombiniert mit der unzureichenden Berücksichtigung der neuen Förderschwerpunktzuweisungen, stellt einen Rückschritt in der inklusiven Bildung dar. Wir fordern die Senatsverwaltung auf, die Zumessungsrichtlinie zu überarbeiten, um den tatsächlichen Bedürfnissen der Schüler*innen gerecht zu werden“, so das Bündnis. Zudem müssen die Schulen, die bisher schon bereit waren, überdurchschnittlich viele Kinder mit Behinderung aufzunehmen, auch überdurchschnittlich unterstützt werden.

Mehrere Umrisse von Händen in drei Buntstift Farben. Die Umrisse liegen übereinander und die Farben sind blau, gelb, rot.


Kontakt:

Berliner Bündnis für schulische Inklusion

info@buendnis-inklusion.berlin

PS: Unser Leitbild, unsere Forderungen und vieles mehr finden Sie auf unserer Internetseite:
https://buendnis-inklusion.berlin/forderungen/

30.05.2024: Mahnwache gegen das neue Schulgesetz

Seit dem Winter beschäftigt uns auch das Berliner Schulgesetz, denn die Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch hat es überarbeitet. Den Referentenentwurf stellte sie kurz vor Weihnachten vor.  Im Januar hat der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen dazu sehr kritisch Stellung bezogen. 

Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte hat als Monitoringstelle des Landes Berlin am 17. Januar unter der Überschrift „Berliner Landesrecht muss endlich den Anforderungen der UN-BRK gerecht werden“ kritisiert: „Aktuell wird das Berliner Landesrecht den Anforderungen der UN-BRK kaum gerecht. Ein Beispiel ist, dass im Berliner Schulgesetz (SchulG Berlin) kein vorbehaltloses Recht auf schulische Inklusion verankert ist, wodurch Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen der Zugang zu regulären Schulen erschwert wird.“

Am Donnerstag kommt das neue Schulgesetz ins Parlament

Am Donnerstag, den 30. Mai, berät der Bildungsausschuss das Gesetz zum ersten Mal. Einiges von der Kritik der Verbände wurde aufgenommen, vieles aber nicht. Das Gesetz verankert immer noch kein vorbehaltloses Recht auf Inklusion. Das ist falsch und das wollen wir am 30. Mai mit einer Mahnwache vor dem Abgeordnetenhaus in der Niederkirchnerstr. 5. 10117 Berlin, den Mitgliedern des Bildungsausschusses deutlich sagen: „Inklusion beginnt im Schulgesetz!“ Nur dann erfüllt das Schulgesetz das Versprechen der Senatorin: mehr Chance für alle Kinder. Aktuell verschlechtert dieses Schulgesetz die Chancen zur gleichberechtigten Teilhabe an Bildung für Kinder und Jugendliche mit Behidnerungen und chronischen Krankheiten in Berlin.

Im offenen Brief des Bündnisses an die Bildungssenatorin sind einige zentrale Kritikpunkte aufgeführt, deren Aufnahme wir fordern.

Kommt zur Mahnwache vor dem Abgeordnetenhaus

Was könnt Ihr tun? Kommt allein, mit der ganzen Familie, mit Freund:innen und Vertrauten aus Euren Netzwerken zur Mahnwache. Von 13 – 19 Uh vor dem Abgeordnetenhaus in der Niederkirchnerstr. 5. 10117 Berlin. Jede Minute Support zählt. Kommt kurz dazu, für 30 Minuten, für eine Stunde, für den ganzen Nachmittag und unterstützt uns und unsere Botschaft. Mit Präsenz, mit Reden, mit Liedern und Gedichten, mit Plakaten, mit Pfeifen und Trommeln. Bitte tragt Euch in die Planungstabelle ein, damit wir wissen, wie viele wir am 30. Mai sein werden: https://dud-poll.inf.tu-dresden.de/mahnwache/ 

Der Aufruf zur Mahnwache zeigt ein Megaphon. Die Überschrift lautet; Komm zur Mahnwache! Parallel zu den Beratungen des neuen Schulgesetzes. Am 30 Mai 2024 von 13 bis 19 Uhr vor dem Berliner Abgeordnetenhaus.

14.05.2024: Inklusion beginnt im Schulgesetz, Frau Senatorin!

Liebe Berliner Bildungssenatorin Frau Günther-Wünsch,

am 30. Mai 2024 wird im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses über Ihr Vorhaben beraten, das Berliner Schulgesetz zu ändern. Sie bewerben es verheißungsvoll mit “Gleiche Chancen für alle Kinder!”.

Wir haben nur eine Frage: Sind Sie bereit, endlich den Rechtsanspruch auf inklusive Beschulung, also die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe an Bildung, im Berliner Schulgesetz zu verankern, sodass „Gleiche Chancen für alle!“ auch für Kinder mit Behinderungen gilt?

Wir sind schockiert und beunruhigt über Ihre Aussagen im Bezirkselternausschuss1 Treptow-Köpenick am 16. April 2024. Sie haben gesagt, der Rechtsanspruch auf inklusive Beschulung stehe ja in der UN-Behindertenrechtskonvention und die Eltern könnten doch klagen. Zudem haben Sie gesagt, Sie fänden es unehrlich, diesen Rechtsanspruch im Berliner Schulgesetz zu verankern, da er nicht erfüllt werden könne.

Aus unserer Sicht stellt dies eine in Kauf genommene Entrechtung von Kindern mit Behinderung dar. Der rechtswidrige Zustand besteht so lange, bis Eltern mit genügend Zeit, Kraft und Geld sich durch alle Instanzen geklagt haben.

Wir hoffen doch, die Senatsverwaltung erkennt die dramatischen Auswirkungen für betroffene Kinder und ihre Eltern. In Berlin sind nach Schätzungen über 1000 Kinder mit Behinderungen unbeschult (geflüchtete Kinder mit Behinderungen noch nicht mitgerechnet), sehr viele kurzbeschult, und sehr viele verlassen trotz des Potenzials aufgrund mangelnder Förderung die Schule ohne Abschluss.

Der Rechtsanspruch auf inklusive Bildung und Beschulung besteht als ein Menschenrecht der Kinder in der UN-Behindertenrechtskonvention schon lange und aus gutem Grund. Es handelt sich um ein Menschenrecht, das nicht in Abhängigkeit der Haushaltslage2 gelenkt oder entschieden werden darf. Es muss Priorität haben.

Unser Anliegen ist es, dass alle Kinder, unabhängig von Herkunft, Religion, Behinderungen oder anderen Merkmalen gemeinsam leben und lernen. Dazu gehört, dass jedes Kind wohnortnah eine Schule besuchen kann, in der es genau die Unterstützung und Förderung bekommt, die es jeweils benötigt, um seine Stärken zu entwickeln, sein Potenzial zu entfalten und sich als Teil der Gesellschaft zu begreifen.

Ihr neues Schulgesetz macht uns traurig, denn es offenbart, dass Sie sich nicht für alle Kinder einsetzen, sondern Kinder mit Behinderungen noch mehr ausschließen werden als bisher schon. Falls Ihre bisherigen Pläne so umgesetzt werden, bleiben noch mehr Kinder trotz Schulplatz an Regel- oder Förderschule aufgrund mangelnder individuell angemessener Vorkehrungen unbeschult, und der Trend zu noch mehr Trennung von Kindern mit und ohne Behinderung in separaten Schulen wird fortgesetzt. Es wäre schön, wenn wir uns irren und Sie uns mit der weiteren Überarbeitung des Schulgesetzes zeigen, dass Inklusion auch für Sie ein Menschenrecht bedeutet, einschließlich individuell angemessener Vorkehrungen in jedem Einzelfall.

Unsere Forderungen:

1. Angemessene Vorkehrungen
Der Rechtsanspruch auf angemessene Vorkehrungen (Artikel 24, UN-Behindertenrechtskonvention) muss ins Berliner Schulgesetz aufgenommen werden. Angemessene Vorkehrungen sind Maßnahmen, die im Einzelfall eines jeden Kindes oder Jugendlichen mit Behinderungen geeignet und erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass sie gleichberechtigt mit allen anderen ihre Rechte wahrnehmen und ausüben können. Das kann beim einen Kind der rollstuhlgerechte Zugang sein, beim nächsten Kind ein absolut ruhiger Raum zum Lernen, und beim dritten Kind eine Lehrkraft, die unterstützte Kommunikation beherrscht. Bei anderen Kindern kann das eine individuell bedarfsgerechte Schulassistenz im Sinne des Teilhaberechts sein oder ein Raum für Pflege. Die Liste der individuell notwendigen angemessenen Vorkehrungen ist so vielfältig wie unsere Gesellschaft. Die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet zum Schaffen von angemessenen Vorkehrungen und darf nicht aufgrund vermeintlich mangelnder Ressourcen und Mittel entfallen.

2. Schulplatzvergabe
Es gibt Schulen in Berlin, die sich sehr engagiert um Inklusion bemühen. Sie dürfen nicht ausgebremst werden. Darum muss das Berliner Schulgesetz für alle Schulen die Möglichkeit vorsehen, Kinder mit Behinderungen vorrangig bei der Schulplatzvergabe zu berücksichtigen.

3. Ganztag:
Berliner Kinder werden bis Klasse 6 in Regelschulen mit Hort-Angeboten beschult. Ab Klasse 7 sind die vorhandenen Ganztagsangebote für die Bedarfe von Kindern mit Behinderungen oft nicht mehr angemessen, weil sie sich nur auf Unterrichtszeiten beziehen. Gleichzeitig verfügen die Förderschulen über Angebote am frühen Morgen und bis in den späten Nachmittag. Daraus ergibt sich eine Ungleichbehandlung, die der UN-Behindertenrechtskonvention widerspricht. Für Eltern von Kindern mit Behinderungen bedeutet das, sie müssen ihre Berufstätigkeit aufgeben oder mindestens stark einschränken, wenn sie sich weiterhin für die Regelbeschulung ihres Kindes entscheiden. Bitte verankern Sie daher für Kinder mit allen Förderschwerpunkten den Rechtsanspruch auf Ganztag bis 18 Uhr im Berliner Schulgesetz auch ab Klasse 7 an Regelschulen, um diese Diskriminierung zu beenden, mindestens aber um ein echtes Wahlrecht zu schaffen.

4. Individuelle Bedarfe:
Die Errungenschaften des Bundesteilhabegesetzes müssen sich auch im Berliner Schulgesetz widerspiegeln, weil viele Kinder individuell angemessene Vorkehrungen benötigen. Kinder haben ein Recht auf ein Teilhabeplanverfahren nach dem Bundesteilhabegesetz. Das gilt natürlich auch für das Lebensumfeld Schule und muss deshalb auch im Schulgesetz stehen. In einem Teilhabeplanverfahren wird genau untersucht, was das konkrete Kind benötigt, um an Bildung teilhaben zu können. Selbstverständlich besteht dieses Recht auch vor der Einschulung, damit Teilhabe an Bildung von Anfang an möglich ist.

Es genügt nicht, wenn Rechtsansprüche in anderen Landes- und Bundesgesetzen oder der UN-Behindertenrechtskonvention enthalten sind, sondern sie müssen endlich ins Berliner Schulgesetz, um im Kontext Schule verankert zu werden.

Liebe Frau Senatorin Günther-Wünsch, passen Sie jetzt trotz der schwierigen Haushaltslage das Schulgesetz rechtskonform an und priorisieren Sie dies. Im Sinne einer inklusiven Gesellschaft und aller Kinder mit und ohne Behinderungen – und ihrer Familien.

Mit erwartungsvollen Grüßen,
Ihr Berliner Bündnis für schulische Inklusion

Rechtsgrundlagen/ rechtliche Hintergründe und Konkretisierungen:

zum Rechtsanspruch auf inklusive Beschulung:
Der Rechtsanspruch auf inklusive Bildung und Beschulung besteht als ein Menschenrecht der Kinder, in der UN-Behindertenrechtskonvention (Artikel 24). Die Verpflichtung zur Umsetzung ergibt sich aus Artikel 24 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 2 UN-BRK. („Völkerrechtliche Verträge werden über die spezielle Vorschrift des Art. 59 Abs. 2 GG in das deutsche Recht einbezogen.“ Quelle: Herdegen, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 37. Ergänzungslieferung (Stand: August 2000), Art. 25 Rdnr. 20.)
Auch in der Schule müssen die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Artikel 2, Grundgesetz) und ein selbstbestimmtes Leben verwirklicht werden. Eine Benachteiligung aufgrund der Behinderung ist nicht zulässig (Artikel 3, Grundgesetz).

zu Forderung 1:
Das Recht auf angemessene Vorkehrungen ist in Art. 24 Abs. 2c, d und e der UN-Behindertenrechtskonvention enthalten sowie im § 5 Berliner Landesgleichberechtigungsgesetz: “(1) Angemessene Vorkehrungen sind Maßnahmen, die im Einzelfall geeignet und erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen ihre Rechte wahrnehmen und ausüben können und die die öffentliche Stelle nicht unverhältnismäßig oder unbillig belasten. (2) Die Versagung angemessener Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen zur gleichberechtigten Wahrnehmung ihrer Rechte ist eine Diskriminierung im Sinne dieses Gesetzes.”
Um diesen Rechtsanspruch im Bereich Schule in Berlin zu verankern, muss er ins Schulgesetz aufgenommen werden.

zu Forderung 2:
Aktuell ist in § 37a Abs. 3 SchulG geregelt, dass Inklusive Schwerpunktschulen Kinder mit Förderschwerpunkt bei der Vergabe der Schulplätze bevorzugen dürfen und in § 10 Abs. 2 SopädVO steht, dass sie bis zu 3 (oder unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise 5) Kinder mit Förderschwerpunkt pro Klasse aufnehmen dürfen.

Für andere Regelschulen gilt das nicht und das hat schwerwiegende Folgen: Schulen, die von sich aus großes Engagement zeigen, inklusiv zu arbeiten, sich weiterbilden, geeignete Materialien erwerben etc, können aufgrund steigender Schüler*innen-Zahlen nur noch sehr schwer vermehrt behinderte Kinder aufnehmen, weil es nicht zulässig ist, den Förderschwerpunkt bei der Vergabe der Schulplätze besonders zu berücksichtigen.

Damit alle Regelschulen Kinder mit Behinderungen aufnehmen können und eine freie Schulwahl möglich ist, müsste dies in § 54 Abs. 2 SchulG in ähnlicher Weise für alle Schulen ergänzt werden, wie es im Moment nur für Inklusive Schwerpunktschulen festgelegt ist.

zu Forderung 3:
Aktuell sind Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Klassen 7 bis 10 vom Besuch einer allgemeinen Schule (Regelschule) ausgeschlossen, sofern sie Bedarf an ergänzender Betreuung bzw. Ergänzende Förderung und Betreuung
(eFöB) außerhalb der Unterrichtszeiten haben. Sie sind damit vom Recht auf inklusive Beschulung und dem entsprechenden schulgesetzlichen Anspruch, z.B. § 36 Abs. 2 S. 3 und Abs. 4 SchulG ausgeschlossen.
Im Schulgesetz selbst ist kein entsprechender Anspruch geregelt. Die Regelungen zum eFöB (§ 19 SchulG) sind an Regelschulen auf die Jahrgangsstufen 1 bis 6 beschränkt.
Für Kinder mit Bedarfen ab Klasse 7 besteht gem. § 19 Abs. 6 S. 2 SchulG ein entsprechender Anspruch nur beim Besuch von Förderschulen bzw. Auftragsschulen. Ein Anspruch auf eFöB ergibt sich für sie aus den Regelungen des § 28a SodPädVO bei Beschulung an einer Regelschule. Die Regelungen stehen dabei im Einzelfall zueinander im Widerspruch. Ebenfalls sind sie nur auf Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarfen in den Förderschwerpunkten „Geistige Entwicklung“ und „Autismus“ beschränkt.
Ein Ausschluss besteht daher unabhängig von der Schulform ab Klasse 7 bereits aus den landesgesetzlichen Regelungen für Kinder mit Bedarfen auf eFöB, die anderen sonderpädagogischen Förderbedarfen zugeordnet sind.
Für Kinder mit den festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfen im Bereich „Geistige Entwicklung“ sowie „Autismus“ sind die Regelungen des SchulG und der SodPädVO zu harmonisieren. Um das Recht auf inklusive Beschulung für alle Kinder umzusetzen, ist eine Anpassung des § 19 SchulG unabhängig vom sonderpädagogischen Förderbedarf sowie des Ortes der Beschulung notwendig.

zu Forderung 4:
§ 5a “Zusammenarbeit Schule und Jugendamt” des Schulgesetzes muss um die Pflichten aus dem Teilhaberecht ergänzt werden, im Hinblick auf die Ermöglichung einer rechtskonformen Teilhabeplanung, u.a. Bewilligung individueller Schulassistenz oder auch bezogen auf die Schnittstellen mit anderen Rechtskreisen, sowie die Tatsache, dass bei Vorliegen von Behinderungen die Fallverantwortung sehr klar bereits gesetzlich geregelt ist. Der Teilhabefachdienst hat die Aufgabe, die individuell angemessenen Vorkehrungen im Rahmen einer gemeinsamen Teilhabeplanung zu ermitteln. Die Fallverantwortung und Aufgabe der Koordination liegt beim Teilhabefachdienst, beginnend bei der Bedarfsermittlung, individuell über die Lebensbereiche. Erst dann kommt die Abklärung, welche Stelle genau welche dieser Bedarfe ggf. vorrangig decken muss. Ein Anrecht auf die Durchführung des individuellen, ausschließlich personenzentrierten Teilhabeplanverfahrens im Hinblick auf die Einschulung bereits vor Schulplatzvergabe muss in § 5a SchulG verankert werden, damit ein adäquater Schulplatz vergeben werden kann, angemessene Vorkehrungen rechtzeitig geschaffen werden und Beschulung, Unterstützung, Hilfsmittel, Abbau von Barrieren in Vollzeit wie für alle anderen Kinder auch ab Einschulung gewährleistet ist. Rechtsgrundlage im Bundesteilhabegesetz: Die Ermittlung der individuell angemessenen Vorkehrungen muss im Rahmen einer gemeinsamen Teilhabeplanung erfolgen (Kap 2-4 Teil 1 SGB IX), da die Schule eine “andere öffentliche Stelle” gemäß § 22 SGB IX ist. Die Reihenfolge des Teilhabeplanverfahrens ist dabei zwingend zu beachten: Am Anfang steht die personenzentrierte Bedarfsermittlung über die Lebensbereiche, erst dann folgt das weitere vorgegebene Instrument der Teilhabekonferenz, und erst in der Teilhabekonferenz muss besprochen werden, wer mit etwaigen Beteiligten wann welche Schritte geht – nicht andersherum.

  1. Die Sitzungen der Bezirkselternausschüsse sind an sich nicht öffentlich, aber die BEA-Vertreter*innen der Schulen sind gehalten, andere Eltern über relevante Inhalte aus den Ausschüssen zu informieren. ↩︎
  2. Im Übrigen sind Förderschulplätze sehr teuer, denn der Assistenzbedarf eines Kindes sinkt nicht mit dem Verschieben an einen anderen Ort. Ebenso ist Nicht- und Kurzbeschulung teuer, da sie meistens die Arbeitslosigkeit von Elternteilen nach sich zieht, und zukünftig auch häufig die Arbeitslosigkeit des dann erwachsenen Kindes. ↩︎

26.03.2024: 15 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention, 15 Jahre Menschenrecht auf inklusive Bildung – Kein Grund zum Feiern in Berlin

Berlin zählt sich neben Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein zu den Bundesländern, die bisher am meisten getan haben, um Inklusion in der Schule umzusetzen. Leider ist das zu wenig, um die Ergebnisse zu feiern. Das Land Berlin verstößt auf vielen Ebenen gegen die UN-BRK, insbesondere gegen Artikel 24 (inklusive Bildung).

Sonderschulen werden ausgebaut
In Berlin gibt es noch immer 91 Sonderschulen. Weitere werden geplant, wieder geöffnet und sogar drei neue gebaut. Jüngst erstellte die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (SenBJF) eine neue Musterbauordnung für Sonderschulen mit dem Förderschwerpunkt “Geistige Entwicklung”.

-> Die UN-BRK fordert, dass Sondersysteme abgeschafft werden.

Kinder werden nicht oder verkürzt beschult
Immer mehr Familien wenden sich an Beratungsstellen, weil insbesondere Kinder und Jugendliche im Autismus-Spektrum verkürzt oder gar nicht beschult werden. Allein im Berliner Bezirk Pankow betrifft das rund 50 Schüler*innen. Die SenBJF sieht sich außerstande, dieses Versagen des Schulsystems in den Schulen zu prüfen, obwohl seit Schuljahresbeginn 2022/2023 eine Meldepflicht der Schulen an die Schulaufsichten besteht. Stattdessen spricht sie von Einzelfällen, während die Beratungsstellen von rund 1000 Fällen in der Stadt ausgehen.

-> Die UN-BRK fordert, dass Daten erfasst werden, die die Qualität der Inklusion messen.

Geflüchteter Kinder mit Behinderungen werden diskriminiert
Das Land Berlin weiß nicht einmal, wie viele geflüchtete Kinder mit Behinderungen in Berlin aktuell leben, hält aber auch für diese Kinder an der separierenden Praxis fest. Für diese Kinder gibt es in der Regel weder in den Willkommensklassen noch in den Sonderschulen Plätze, sodass ein Großteil der geflüchteten Kinder mit Behinderungen nicht beschult wird und von intersektionaler Diskriminierung betroffen ist.

-> Die UN-BRK fordert. dass diese Zahl erfasst wird und die Kinder angemessen beschult werden.

Sparmaßnahmen und Personalmangel werden mit unqualifiziertem Personal beantwortet
Die SenBJF muss 330 Mio. Euro aus dem Haushalt streichen. Das tut sie auf Kosten von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen, die schon heute oftmals ohne die angemessenen Vorkehrungen die Schulen besuchen. Weiterhin besteht ein eklatanter Mangel an Sonderpädagog*innen – diese werden noch immer nicht in ausreichender Zahl ausgebildet. Diesen chronischen Personalmangel sollen nun u.a. Pädagogische Assistent*innen mit unzureichender Ausbildung und unausgebildete Schulhelfer*innen beheben. Der Sparzwang betrifft auch Kinder mit hohen Unterstützungsbedarfen, da die SenBJF die SIBUZe dazu anhält, die Förderquote für Kinder mit erheblichen körperlichen Behinderungen und Erkrankungen (Förderschwerpunkt ‘Körperlich-motorische Entwicklung’) zu reduzieren.

-> Die UN-BRK verlangt eine qualitativ hochwertige Bildung für alle Kinder und die Sicherstellung der dafür nötigen individuell angemessenen Vorkehrungen.

Das alles und noch viel mehr widerspricht der UN-BRK, die die Bundesrepublik vor 15 Jahren ratifiziert hat.

Im vergangenen Sommer wurde Deutschland zum zweiten Mal in der Staatenprüfung der UNO heftig kritisiert und wiederholt aufgefordert, Sonderschulen abzubauen und die inklusive Entwicklung des Schulsystems zu beschleunigen. Der UN-Fachausschuss forderte Deutschland dazu auf, sicherzustellen, dass die Bundesländer wirksame Aktionspläne erstellen, die den Vorgaben der UN-BRK entsprechen. Dies stellt eine beispiellose Bloßstellung der Länder dar, die der UN-BRK zwar am 19. Dezember 2008 einstimmig zugestimmt haben, jedoch seitdem die notwendige inklusive Schulreform in der Schulpolitik, für die sie selbst zuständig sind, verzögern und verschleppen. In einem Offenen Brief, unterstützt von mehr als 140 Organisationen, haben Eltern behinderter Kinder aus verschiedenen Bundesländern kürzlich die Bundesregierung aufgefordert, Druck auf die säumigen Landesregierungen auszuüben.

Erst vor wenigen Tagen hat der Europarat seinen Staatenbericht zur Menschenrechtslage in Deutschland veröffentlicht. Darin kritisiert er, dass ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen und die Inklusion in Deutschland nach wie vor durch ausgrenzende Strukturen wie Sonderschulen und Werkstätten für behinderte Menschen äußerst erschwert werden.

Die Bundesregierung muss dringend handeln, um die Vorgaben der UN-BRK endlich zu erfüllen und sicherzustellen, dass alle Kinder, einschließlich Kindern mit Behinderungen, hochwertige und diskriminierungsfreie Bildung erhalten.

Wir fordern von der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie,

  1. einen Zeitplan festzulegen, um Kinder mit Behinderungen bis spätestens 2030 in inklusiven Schulen zu beschulen – mit konkreten personellen, technischen und finanziellen Ressourcenzuweisungen und klaren Verantwortlichkeiten für die Umsetzung und Überwachung u.a. durch die Zivilgesellschaft, sodass sichergestellt wird, dass alle Schulen der Stadt spätestens ab 2031 für alle Kinder zugänglich und Sonderschulen zu inklusiven Schulen mit kleinen Klassen umgebaut sind.
  2. die intersektionalen Diskriminierung von geflüchteten Kindern mit Behinderungen zu beenden und ihr Menschenrecht auf Bildung sicherzustellen.
  3. Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, um allen Kindern einen regulären Schulabschluss zu ermöglichen, insbesondere auch Kindern mit den Förderschwerpunkten “Lernen” und “Geistige Entwicklung”.
  4. alle Pädagog*innen, Erzieher*innen und Mitarbeitenden für inklusiven, barrierefreien Unterricht in multiprofessionellen Teams verpflichtend weiterzubilden und kontinuierlich behinderungsspezifische Fortbildungen durchzuführen, die jährlich rechtzeitig bis zu den Herbstferien stattfinden und externe Expert*innen sowie Vertreter*innen der Selbsthilfe einbeziehen, um die Inhalte den individuellen Bedarfen und Begabungen der Kinder anzupassen.
  5. Sensibilisierungs- und Bildungskampagnen für inklusive Bildung auf allen Ebenen durchzuführen und einen Konsens zwischen Zivilgesellschaft und staatlichen Institutionen zum einheitlichen Verständnis des Inklusionsbegriffs entsprechend der UN-BRK zu schaffen.

    #InklusiveBildungJetzt!

Quellen:

Artikel 24 UN-BRK:
https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsschutz/datenbanken/datenbank-fuer-menschenrechte-und-behinderung/detail/artikel-24-un-brk

Abschließende Bemerkungen des UN-Fachausschusses 2023 (in englischer Sprache)
https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=CRPD%2FC%2F DEU%2FCO%2F2-3&Lang=en

Verstößebericht 2021/2022 der Berliner Landesbeauftragten (PDF Download)
https://www.berlin.de/lb/behi/_assets/themen/14-verstoessebericht-der-lfb.pdf?ts=1705017642


27.02.2024: Gemeinsam für inklusive Bildung: 15.30 Uhr Demo zur BRK-Konferenz am ALEX!

Wie ihr wisst, wurde Deutschland von den Vereinten Nationen (UN) auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention geprüft. Die Kritik am Mangel an inklusiver Bildung in Deutschland ist mehr als deutlich! Die Bundesregierung wird aufgefordert, umfassende Aktionspläne vorzulegen. Unser offener Brief* an die Bundesregierung blieb bisher unbeantwortet.

Solidaritäts- und Protestaktion #InklusiveBildungJETZT
Am kommenden Dienstag, den 27. Februar 2024, findet die BRK-Konferenz „Wie weiter nach der 2. Staatenprüfung?“ statt. Dies ist unsere Chance, unsere Stimmen zu erheben und ab 15:30 Uhr vor dem Berliner Congress Center (BCC) gemeinsam für #InklusiveBildungJETZT! zu demonstrieren!

Dienstag, 27. Februar 2024
15:30 – 16:30 Uhr
Berliner Congress Center, Alexanderstr. 11, 10178 Berlin

Social Media Protest #InklusiveBildungJETZT
Für diejenigen, die nicht dabei sein können, gibt es eine wichtige Möglichkeit, die Demo zu unterstützen: Teilt eure Protestbotschaften in den sozialen Netzwerken, verbreitet die Botschaft von #InklusiveBildungJETZT!

Weitere Hashtags dazu: #BRKKonferenz2024  #UNBRK #InklusiveBildungJETZT  #SolidaritätFürInklusiveBildung  #InklusiveBildungIstMenschenrecht

Gemeinsam für eine inklusive Bildung – wir zählen auf eure Unterstützung!

10.10.2023: #InklusiveBildungJetzt! Der Bund ist gefordert

Es besteht dringender Handlungsbedarf bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention vor allem im Bereich inklusiver Bildung (Artikel 24 UN-BRK)!

Das ist die Botschaft eines Offenen Briefes, den auch der Berliner Bündnis für schulische Inklusion gezeichnet hat, der am Dienstag, den 10. Oktober 2023, in Berlin übergeben wird.

Initiatorinnen der Aktion sind Eltern von Kindern mit Behinderung aus mehreren Bundesländern, die am 29./30. August bei der UNO in Genf anlässlich der Staatenprüfung Deutschlands zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gegen die fehlende Realisierung der inklusiven Bildung protestiert hatten.

Eine Gruppe von Aktivistinnen  stehen vor dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, In Ihren Händen halten sie den Offenen Brief #InklusiveBildungJetzt! und Blätter mit den Logos der 130 unterzeichnenden Verbände und Organisatioen.

Unterzeichnet haben den Brief bisher mehr als 130 Verbände und Organisationen sowie mehr als 1.000 Einzelpersonen aus ganz Deutschland, darunter viele Eltern von Kindern mit Behinderung und in der Bildungspraxis und der Wissenschaft Tätige. Zu den erstunterzeichnenden Verbänden gehören zum Beispiel der Deutsche Paritätische Gesamtverband, die Sozialverbände VdK und SoVD, der Grundschulverband, die Gewerkschaft GEW, der Verband Sonderpädagogik, das Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit, die LIGA Selbstvertretung und zahlreiche Selbstvertretungs- und Elternorganisationen.

Der Brief richtet sich bewusst nicht an die Bundesländer, sondern an den Bund. Denn Deutschland als Gesamtstaat muss sich nach der deutlichen Rüge durch den UN-Fachausschuss bei der Staatenprüfung in Genf Ende August, so die Unterzeichner, endlich seiner vollen Verantwortung für inklusive Bildung in Deutschland stellen und darf das nicht allein den Bundesländern überlassen. Janine Schott vom Berliner Bündnis für Schulische Inklusion, die gemeinsam mit anderen Engagierten in einem Protestcamp in Genf vor Ort dabei war, sagt für die Unterzeichner: „Deutschland als Ganzes ist die völkerrechtliche Verpflichtung eingegangen. Deshalb muss nun Schluss sein mit dem steten Verweis auf den Föderalismus: „Da können wir als Bund leider nichts tun.“ Und der Haltung: Wir waschen unsere Hände in Unschuld.“

Formuliert sind im Brief vier konkrete Forderungen:

  1. Der Bund muss auf umfassende Aktionspläne für inklusive Bildung durch die Länder dringen.
  2. Er muss eine einheitliche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Bildungsbereich sicherstellen.
  3. Der Staat muss in allen Bereichen die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention offensiv vertreten.
  4. Die Bundesregierung muss eine bundesweite Aufklärungskampagne starten, die deutlich macht: Inklusion ist Menschenrecht und damit Pflicht, keine Kür und vor allem nicht in das Belieben der Länder gestellt.

Hier kann der offene Brief an den Bund #InklusiveBildungJetzt! mit allen (bisher) Zeichnenden heruntergalden werden:

Hier können Sie den Brief noch mit unterzeichnen:

http://allianz-inklusive-bildung.de/unterzeichne-den-offenen-brief/

02.09.2023: Zurück aus Genf – Schämt Euch! Die richtige Parole für den Protest

Über 30 Eltern aus dem ganzen Bundesgebiet waren am 29. und 30. August nach Genf gereist. Sie begleiteten die Staatenprüfung der Bundesrepublik vor dem Fachausschuss der UN-BRK einem Protestcamp auf dem Place des Nations. Auch aus Berlin waren wier Aktivist:innen dabei. Leider kommen sie mit allem anderen als guten Nachrichten aus der Schweiz zurück. Denn es kann kaum eine größere Diskrepanz geben zwischen dem, was die Zivilgesellschaft zum Stand der Umsetzung der UN-BRK berichtet hat und dem, was die Bundesregierung dazu zu sagen hat.

Die erste Stellungnahme der UN zu den zwei „dollen“ Tagen fällt sehr kritisch aus: https://unric.org/de/behinderung31082023/

Hier ein Bericht zur Staatenprüfung, der auch über den Elternprotest berichtet: https://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2023-08/59984562-un-kritik-an-deutschlands-umgang-mit-menschen-mit-behinderung-016.htm

Die Monitoringstelle zur Umsetzung der UN-BRK, das Deutsche Institut für Menschenrechte, veröffentlichte diese Stellungnahme am 30. August: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/aktuelles/detail/menschenrechtsinstitut-fordert-mehr-einsatz-fuer-inklusion-von-menschen-mit-behinderungen. Die Delegation war auch in Genf und besuchte das Protestcamp und sprach mit den Eltern. Außerdem erstatteten sie dem Ausschuss Bericht und verfolgten die Anhörung.

Wir waren uns im Vorfeld nicht sicher, ob diese Parole auf dem Banner für den Elternprotest die richtige ist. Leider mussten wir feststellen, dass es zur erschütternden Selbstgewissheit und Ignoranz, mit der sich der Delegationsleiter, Staatssekretär Dr. Schmachtenberg vom BMAS und auch andere Vertreter:innen (etwa der KMK) vor dem Fachausschuss präsentierten, nichts besseres zu sagen gibt.