Kolumne Mai 2021: 16:38 Uhr zu spät für Inklusion

Vor mittlerweile 12 Jahren hat sich Deutschland dazu verpflichtet, die Behindertenrechtskonvention (BRK) der Vereinten Nationen (UN) umzusetzen. Der Mensch sollte fortan im Mittelpunkt stehen, nicht mehr das System. Dieses sollte sich umgekehrt den Menschen mit Behinderung anpassen.
Und nun, 12 Jahre später, grübele ich immer noch. Darüber, warum diese Verpflichtung an verschiedenen Stellen in der Schul- und Bildungsverwaltung, aber auch in den Schulen selbst – noch nicht wirklich angekommen ist. Beispiele dafür gibt es viele.

Fangen wir damit an, wie den Interessen derer begegnet wird, die „Inklusion“ quasi erfunden haben und seit März 2009 gemäß Art. 4 (3) der UN-BRK fortwährend auf die Verpflichtung zu ihrer Umsetzung verweisen. Diese Vertreter*innen vermitteln wo es umfassende strukturelle Defizite gibt, sie bringen sich ein, wo Grundlagen im Sinne und nach Verpflichtung der UN-BRK geschaffen werden müssen. Sie verteidigen Rechte, fordern Rahmenbedingungen ein, korrigieren mühselig wesentliche Vorhaben, streiten – auch mal emotional. Dies, da noch immer häufig hinter verschlossenen Türen, und oft ohne rechtmäßige, frühzeitige und stetige Beteiligung derer um die es geht, agiert wird.

Mangelt es am Respekt, dem Bewusstsein, an Qualifizierung zu Menschenrechten in der Verwaltung oder was genau ist das Problem noch immer?  Expertinnen und Experten in eigener Sache bringen unermüdlich Rückmeldungen aus der ganzen Stadt, aus den Vereinen, Verbänden und Netzwerken und erfahren dann: „passt hier nicht hin“, „machen wir alles“, „sind Einzelfälle“ – trotz der Vermittlung umfassender struktureller Defizite nun schon seit so vielen Jahren. Sie erleben Präsentation, Frage- und Antwortspiel, Stellungnahmen zu Endprodukten innerhalb von wenigen Tagen. Anschließend wird dieses Verfahren als Partizipation der MmB mit Häkchen versehen. Das entspricht jedenfalls nicht rechtmäßiger, frühzeitiger und stetiger Beteiligung der Interessensvertretungen von MmB bei allem was Inklusion direkt oder indirekt betrifft,  ein Menschenrechtsausschuss festlegte – irgendwie steckt das insbesondere in dieser Verwaltung noch in den Kinderschuhen.

Es waren Ansätze zu erkennen, nach den kontroversen Reaktionen zum „Hinter-verschlossenen-Türen“ entwickelten Senatskonzept zur „Umsetzung Inklusiver Schule in Berlin“ 2011. Es gab unter anderem den unmittelbar darauffolgenden Elterngipfel im Roten Rathaus 2011 mit seiner Elternresolution „So geht’s nicht“. Bereits seit 2008 jährliche Proteste, dann endlich die Einberufung des Beirats „Inklusive Schule in Berlin“ im Juni 2012, heute in Fortführung 3.0 als „Fachbeirat Inklusion Berlin“. Richtig spannend wird es auch in einer excellenten parlamentarischen kleinen Anfrage vom Februar 2012 mit dem Titel „Inklusion an Berliner Schulen“ zur Thematik Partizipation, den damaligen „Konsultationen gem. UN-BRK Art. 4 Abs. 3“, der Beachtung der Expertinnen und Experten in eigener Sache und dem weiteren Umgang damit. Auch Thema und Antwort dort der Dauerbrenner Berliner Schulhilfe und die damaligen katastrophalen Anpassungen mit entsprechenden Auswirkungen bis heute. Wenn man bedenkt, dass hier eine nun 10 Jahre alte Verwaltungsvorschrift (bindet ausschließlich Verwaltung intern, ist kein Gesetz) bis heute unverändert gilt, muss ich nichts mehr dazu schreiben….

Zurück zur vermeintlichen Weiterentwicklung (Fach)Beirat Inklusive Schule: Von dort aus gab es dann seit 2012 verschiedene Aktivitäten, die abschließenden Empfehlungen 2013, hin und wieder  Foren (jedoch unter auserwählten Teilnehmenden) oder in Facharbeitsgruppen. In den Facharbeitsgruppen erfolgte teilweise eine Beteiligung der Interessensvertretung, jedoch häufig waren sie in der Minderheit und fielen vor allem einer scheinbar fachlichen Expertise der systemischen Vertreter*innen zum Opfer – obwohl die Sachverständigkeit der Selbstvertretungen als Expert*innen in eigener Sache doch längst an Platz 1 stehen müsste.

Tatsächlich finden sich einige Ergebnisse der durch die Senatsverwaltung für Bildung installierten Facharbeitsgruppen auf deren Internetseite[2] wieder. Vieles, was den Mensch im Mittelpunkt betrifft ist jedoch überlagert von der Überzahl systemischer Brillen und ausschließlich diesem wurde dann auch weiter gefolgt.
Auch die Umsetzung der Erarbeitungen lässt an vielen Stellen mehr als zu wünschen übrig. Der Verweis darauf in der und für die Praxis blieb dann recht schnell irgendwo stecken. Wofür war diese enorme Arbeit vieler Menschen dann doch gleich?

Ein halbwegs gutes Ergebnis gab es, wurde als einziges aber gar erst nicht öffentlich gestellt. Der Eindruck ist mittlerweile, dass dies ganz bewusst geschah. Eine der Facharbeitsgruppen erarbeitete bis Ende 2016 ein Qualitätsmodell zur Berliner Schulhilfe versus Schulassistenz und keiner bekommt es mit. Dabei hatte man diesem die parallel entstandenen „Empfehlungen des Deutschen Vereins: Von der Schulbegleitung zur Schulassistenz in einem inklusiven Schulsystem“ zu Grunde gelegt, welches auch unter Berliner Beteiligung und der besonderen Situation hier entstanden war.

Von Anfang an war (genauer mit Beginn der 90er Jahre und nachteilig verändert ab 2008) dies für Berlin ein brisantes Thema. Die freiwillige schulstrukturelle Maßnahme (heißt eigentlich, kann angepasst werden wie gebraucht) der Stadt Berlin – auch Berliner Schulhilfe bzw. Schulhelfer*innen genannt und nach Verwaltungsvorschrift VV 7/2011 (keine rechtliche Grundlage) und ab 2015 in Verbindung mit dem „Berliner Rahmenvertrag zur ergänzenden Pflege und Hilfe (RVSchulPfleHi)“ organisiert. Die Veränderungen wurden seit Beginn 2008 durch Proteste begleitet und viele Jahre – bis heute – als nicht ausreichend bzw. nicht bedarfsdeckend moniert.

Daneben existiert ein durch Elternvereine und Unterstützer*innen erarbeiteter, aktuell in Überarbeitung befindlicher Leitfaden zur Beantragung von Schulassistenz in Berlin[3]. Er verschaffte vielen Eltern und Schulen Aufklärung, verhalf Kindern und Jugendlichen zur ihren menschenrechtlichen Ansprüchen, ermöglicht(e) oft überhaupt erst Schulbesuche wohnortnah.

Nun wurde also bis Ende 2016 durch die Facharbeitsgruppe Schulassistenz eine Fachexpertise erarbeitet, was für die Umsetzung in Berlin zukünftig entscheidend sein sollte. Doch was wurde daraus?

Der Auftrag war die Entwicklung eines Qualitätsmodells mit Kriterien für eine gelingende Schulassistenz. Das erarbeitete Qualitätsmodell zur zukünftigen Umsetzung von „Schulassistenz (von der Schulhilfe zur Schulassistenz) im Rahmen ganztägiger Bildung und Erziehung“ in Berlin enthielt bereits in der Präambel auf Drängen der Interessensvertreter*innen folgendes: „,Angemessene Vorkehrungen‘“ im Bildungssystem bedeuten, dass durch notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen gewährleistet wird, dass Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung zur barrierefreien, gleichberechtigten und diskriminierungsfreien Teilhabe an Bildung erhalten. Dies gilt in besonderem Maße für alle Schüler*innen mit einem hohen bzw. sehr spezifischen Unterstützungsbedarf.“

Weiter heißt es nicht nur zum Einbezug von Interessensvertretungen von Menschen mit Behinderung auch: „Es erscheint geboten, den Prozess der Weiterentwicklung von Rechts- und Verfahrensvorschriften durch Mitglieder*innen der FAG „Schulassistenz“ und der früheren FAGen für die sonderpädagogischen Förderschwerpunkte Geistige Entwicklung, Körperlich-motorische Entwicklung, Sehen, Hören und Kommunikation sowie Autismus bezüglich der Konkretisierung der praktischen Umsetzbarkeit begleiten zu lassen.“

Und dann… In 2020 nahm die Senatsverwaltung das Thema Schulassistenz und das erarbeitete Ergebnis nach unermüdlichen Nachfragen dazu endlich wieder auf. Jedoch nicht in der Zusammensetzung und unter Mitwirkungen von bestimmten Akteuren wie mit der Arbeitsgruppe vereinbart (insbesondere der Interessensvertretungen von Menschen mit Behinderung). Nein, es fand ein internes Casting der Senatsverwaltung für Bildung statt. Wieder wurde vorbei an Partizipationsvorgaben der Vereinten Nationen – der Beteiligung von Menschen mit Behinderung in Berlin – durch diese Verwaltung gehandelt.
Man müsse ja auch intern arbeiten können – hieß es. Zuvor ein mächtiges Herumgeirre nachdem der Landesbeirat für Menschen mit Behinderung – als das in Berlin an allem in, um und Drumherum um die Inklusion verpflichtend zu beteiligende Gremium – öffentlich protestierte.  Zunächst wurde auf die Beteiligung der Landesbeauftragten verwiesen, sie würde doch die Interessen der Menschen mit Behinderung vertreten. Die Landesbeauftragte hob jedoch deutlich hervor, dass sie nicht die angemessene Interessenvertretung, wie sie durch die UN-BRK vorgegeben ist, sein kann. Es folgte ein Verweis auf einen teilnehmenden Elternverein, der sich korrekt verhielt und auf sein Mandat durch den senatsinternen Fachbeirat „Care-Management für versorgungsintensive Kinder und Jugendliche“ verwies, also auch nicht die Selbstvertretung wäre. Als Krönung wurde dann mitgeteilt, dass etwa der Fachbeirat Inklusive Schule ja auch vertreten wäre: Das war dann die Senatsverwaltung für Bildung selbst. Hieran wird mehr als deutlich, wie ernst es die Senatsverwaltung Bildung mit der UN-BRK, insbesondere dem Artikel 4 Abs. 3 meint, wie bis heute nicht verstanden wird – wer immer zu beteiligen ist – frühzeitig, stetig und an allem was Menschen mit Behinderung direkt oder indirekt betrifft. Selbst Google hilft hier weiter, denn es findet schnell die „Allgemeine Bemerkung Nr. 7 über die Partizipation von Menschen mit Behinderungen einschließlich Kindern mit Behinderungen über die sie repräsentierenden Organisationen bei der Umsetzung und Überwachung des Übereinkommens„. Sie beschreiben detailliert, wer Interessensvertretung von Menschen mit Behinderung ist, entsprechend einzubeziehen ist, auch das wer, wann, wie in welcher Form wird beschrieben. Diese Unterlagen liegen seit Veröffentlichung in 2018 dem Hause Scheeres vor, gerade erst vor kurzem wieder – lesen, verstehen, respektieren tut das dort keiner. Ein klares Zeichen – wollen wir nicht – ein klares Zeichen Inklusion verstehen wir nicht.

Was hat dies nun alles mit 16:38 Uhr – mit dem Titel dieser Kolumne zu tun?

In erster Linie damit, wie mit echter Partizipation, umgegangen wird. Was Anspruch sowie Recht und was bittere Realität ist. Schon seit vielen Jahren vor allem im Bereich der Inklusiven Schule in Berlin ist Partizipation der Interessensvertretung von Menschen mit Behinderung nicht gerade das Meisterstück. Definitionen oder Richtlinien scheinen völlig unbekannt. Obwohl gerade erst kürzlich erneut „geliefert“.

Feststeht, was anderswo entweder bereits selbstverständlich ist oder mindestens auf guten Wegen, findet in der in der Senatsverwaltung für Bildung nicht statt oder läuft schief.

Denn: Um 16:38 Uhr schrieb ich am 24. März 2021 eine E- Mail an den Fachbeirat Inklusion Berlin und somit an die Leitung Sybille Volkholz. Ich bat im Namen des Landesbeirates für Menschen mit Behinderung um Korrektur des Protokolls des Fachbeirates der Senatsverwaltung vom 9. Dezember 2020 zum Tagesordnungspunkt „Entwurf Konzept Schulassistenz Berlin“, welches dieser sehr kontrovers an diesem Tag zu beraten hatte. Es ging dort um den „ohne uns über uns“ erstellten Entwurf zur zukünftigen Umsetzung der Schulassistenz in Berlin. Dieser Entwurf ging dem Fachbeirat eine „ganze“ Woche vorher zu, eine weitere Woche zuvor erhielt eine Vorbereitungsgruppe des Beirates (erst) auf Nachfragen der Interessensvertreter*innen die Unterlage. Glückwunsch – 14 Tage im Ehrenamt Zeit für solche – in der Berliner Schule, für Menschen im Mittelpunkt – wesentlichen Themen!
Die Verteter*innen des Landesbeirates für Menschen mit Behinderung hatten am 9. Dezember 2020 nicht nur den vorliegenden Entwurf der „ohne uns über uns“ Arbeitsgruppe zur Schulassistenz scharf kritisiert, ebenso bereits in der Vorbereitungsrunde und verfassten ein entsprechendes Positionspapier. Sie stellten in beiden Diskussionen heraus, dass es viele Widersprüche gegenüber dem in 2016 gemeinsam erarbeiteten Qualitätsmodell – dem ganz guten Ergebnis – nun im neuen Entwurf, der in naher Zukunft der Umsetzung dienen soll, gibt. Manches wurde so verändert, dass es nicht mehr dem entspricht, wie es einmal gedacht und entwickelt war. Auch die nun geltenden rechtlichen Grundlagen, auch Ansprüche und weiter fehlende Lösungen wie sie sein müssten – bereits 2016 schon mitgedacht – sind gänzlich verwaschen. Ein großes Durcheinander insgesamt ist nun kreiert. Dies und anderes wurde natürlich – da das Thema Schulbegleitung schon so lange elementar für den Besuch einer Schule in Berlin brennt, auch emotional transportiert. Oft genug hängt seit so vielen Jahren insbesondere von dieser Ressource ab, wer in welche Schule überhaupt gehen kann oder auch durch restriktive, nicht rechtskonforme Bewilligungen nur stundenweise beschult wird oder auch mal gar nicht mehr, vielleicht zur Schule nach Brandenburg fahren muss. Das, obwohl der Grundsatz der UN-BRK, neben Kernkonzepten zur Partizipation auch jedwede Diskriminierung aufgrund der Versagung so genannter individuell angemessener Vorkehrungen für die Bedürfnisse Einzelner verbietet, in mindestens Art. 24 Abs. 2c, d und e.

Die Vertreter*innen des Landesbeirates sendeten zum Protokoll also die Bitte, um Ergänzung dieser Hinweise und forderten ein, dass das eingereichte Positionspapier des Landesbeirates im Protokoll erwähnt wird. Wichtig war außerdem, dass die richtigstellenden Aussagen bzw. überhaupt die wesentlichen Rückmeldungen der Interessensvertretung im Protokoll wahrheitsgemäß aufgenommen werden und nicht einfach unter den Tisch fallen.

„Zu spät“ steht im nächsten Protokoll – mit Uhrzeit! Zweiundzwanzig Minuten vor der Sitzung ist also keine Protokollkorrektur mehr möglich, wir befinden uns also im Berliner Fachbeirat Inklusion nicht nur in dieser Thematik klar in der Steinzeit und niemand stört’s!?

Das liegt wohl daran, dass sich Mitglieder des Fachbeirates oft genug schon gar nicht mehr trauen, überhaupt noch was zu sagen. Hat niemand mehr Mut für die Belange von Schüler*innen mit Behinderungen einzutreten und die häufig unangenehmen Abweisungen der Fachbeiratsleitung zu ertragen?

Während es in jeder anderen Senatsverwaltung selbstverständlich ist, meist verbunden mit einem netten Spruch, zu Beginn jeder neuen Sitzung unter dem Tagesordnungspunkt Protokollgenehmigung natürlich noch Änderungen aufzunehmen und zu berücksichtigen, so nicht in dort, in dieser Verwaltung. Außer der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung Frau Braunert-Rümenapf und der Landesbeiratsmitglieder wundert sich niemand, erhebt keiner Einspruch, schreiben alle jedoch Inklusion auf ihre Fahnen, wo wir wieder beim Mainstream sind. Nirgends anders ist das so!

Es wird im Nachgang darauf verwiesen, dass der Fachbeirat sich auf dieses Vorgehen einmal verständigt hätte, Korrekturwünsche fristgerecht einzureichen seien. Wann wie und wo erschließt sich weder in einer Geschäftsordnung die nicht existiert und sicher nicht eine vollständige Zustimmung der ehrenamtlichen Interessensvertreter*innen von Menschen mit Behinderung erfahren hat. Zumindest nicht erkennbar, denn in Beschlüssen werden auch Minderheiten  nicht transportiert.

Vielleicht käme dem Berliner Fachbeirat Inklusion der Senatsverwaltung für Bildung durch einen Generationenwechsel (mindestens in der Leitung) dem Ziel der Umsetzung von Inklusion und tatsächlicher Partizipation und eben den Menschen im Mittelpunkt einen kleinen Schritt näher. Dann werden möglicherweise zukünftig Minderheiten erkennbar und es erfolgen wahrheitsgemäße Abbildung von Positionen. Insbesondere jener, nach der UN-Konvention wesentlichen. Die  Interessenvertreter*innen von Menschen mit Behinderung bekämen endlich ein entsprechend zu den Menschenrechten passendes Gewicht. Es würde dann vielleicht aufhören, das undurchsichtige „hat der Fachbeirat zur Kenntnis genommen“ oder „der Beschluss wurde bei einer Enthaltung und drei Ablehnungen angenommen“ – die Position derjenigen Vertreter*innen von Menschen mit Behinderung, um die es maßgeblich gehen muss, deutlich machen. Möglicherweise auch erst dadurch für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen, wie Behinderung dort, die individuell angemessenen Vorkehrungen gem. UN-BRK im Mainstream der Vielfalt ertrinken.

Um 16:38 Uhr ist es nicht zu spät, Inklusion in der Berliner Schule so wie sie durch die Erfinder gedacht und gesetzt war und ist, zu verteidigen, Positionen transparent für die Öffentlichkeit zu verankern.  Es ist auch um 17 Uhr überall anders mit Beginn von Gremien, die sich bemühen Beteiligung nicht nur auf die Fahne zu schreiben, sondern ernst nehmen, nie zu spät. Alles andere ist lächerlich und natürlich darf darüber auch Unmut geäußert werden und was schiefläuft, natürlich muss auch die Öffentlichkeit etwas davon erfahren. Ausgesprochene oder niedergeschriebene Kritik ist eine unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass Probleme behoben werden können. Sie dient seit Urzeiten als nützlicher Hinweise für Handlungsverbesserungen, wenn diese auch gewollt sind.

Gut ist, dass Proteste über die Jahre andauern und in Fünfjahresschritten ihre Höhepunkte haben.  Nach Elterngipfel 2011 und Resolution „So geht’s nicht“, der „Berliner Elternschaft 2.0 und der Resolution „Baustelle Inklusive Schule““ in 2016 vereint nun das „Berliner Bündnis für inklusive Schule“ die ganz verschiedenen Menschen und Gruppen. Nur die Forderungen, wie jetzt erneut durch das Bündnis Inklusive Schule erarbeitet und über das 1. Berliner Behindertenparlament als Antrag an die Senatorin für Bildung überreicht[4], bleiben alle fünf Jahre nahezu gleich. Das ist erschreckend und sollte Verantwortliche zum Nachdenken, handeln und anpassen so manchen Vorgehens und Mitwirkens bewegen. Es wird nun wirklich mal Zeit.

Wenn der Fachbeirat dem Mainstream folgt und Inklusion so verwässert, alles sei das selbe, Vielfalt Yeah! – à la egal ob Schüler*innen mit Behinderung, unterschiedlichem Geschlecht oder mit verschiedenen Migrationsgeschichte eine Schule besuchen, dann hat er weder Inklusion noch die Menschenrechte (nicht nur die der BRK) verstanden. Der Fachbeirat, zuvor Beirat Inklusive Schule ist entstanden, weil die Bundesrepublik im März 2009 das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung ratifizierte, entstand aus Konsultationsrunden eingefordert durch MmB in Berlin. Dann ist doch klar, um wen es vorrangig gehen muss, und welche Beteiligten dort. Inklusive Bildung für Kinder und Jugendliche mit Behinderung ist weder auf dem Weg der Wirklichkeit, vielmehr werden sie wieder auch in diesem Thema deutlich an den Rand gedrängt. Denn der Grundsatz sind die bedeutsame Partizipation und die individuell angemessenen Vorkehrungen Einzelner, ganz gleich was diese brauchen. Es geht nicht darum, Gruppen etwas zu zuweisen oder das System Schule, sondern um jeden einzelnen Menschen und was dieser ganz individuell braucht – neben „Nichts über uns ohne uns und unsere Kinder“.
Dafür ist es um 16:38 Uhr nicht zu spät!

Berlin, 04.05.2021

Stephanie Loos

[1] Inklusion – Hintergrund: https://leidmedien.de/geschichte/inklusion/)

[2] https://www.berlin.de/sen/bildung/schule/inklusion/fachinfo/

[3] https://elternzentrum-berlin.de/wp-content/uploads/2008/11/2014-03-05LF_Schulassistenz_A4download.pdf

[4] ab Minute 1:06 Berliner Bündnis für schulische Inklusion Aktion 5. Mai und Antragsübergabe an Senatorin Scheeres: https://www.youtube.com/watch?v=dd-o4mIWM_I)